Professorin Anna Karlsson-Bengtsson

 

Vizepräsidentin für Bildung und Lebenslanges Lernen, Chalmers University of Technology, Schweden

Prof. Dr. Anna Karlsson-Bengtsson Urheberrecht: © Chalmers University

Sollten wir nach der Pandemie wieder zu vollständigen Live-Kursen zurückkehren, weiterhin reine Online-Lehre anbieten, oder hybride Lehrangebote machen?

Grundlage jeden Lehrens sollten stets die Werkzeuge und didaktischen Konzepte sein, die dem jeweiligen Fach und seinen Inhalten am besten gerecht werden – natürlich unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände. Das vorab gesagt, sind wohl Formate am besten geeignet, die campus-basierte Präsenzlehre mit digitaler Lehre verbinden, solange sichergestellt ist, dass beide Komponenten gut weiterentwickelt und so integriert werden, dass sie sich wechselseitig ergänzen und optimalen Mehrwehrt für die Studierenden generieren.

In Zukunft wird es entscheidend sein, dass man in der Lage ist, die Anteile von Präsenz- und Online-Lehre situationsbedingt rasch anzupassen, um auf Herausforderungen wie die Covid19-Pandemie angemessen reagieren zu können. Für solche Szenarien müssen wir in Zukunft besser gerüstet sein.

Welche Lehrformate würden Sie sich online wünschen, welche im persönlichen Umfeld?

Beinahe sämtliche Lehrformate können für die Online-Lehre angepasst werden, mit Ausnahme vielleicht einiger Praktika und anderer Angebote, bei denen man auf Geräte und Materialien vor Ort zugreifen können muss. Hier müssen die Lehrenden selbst entscheiden, wie die von Ihnen angebotenen Kurse inhaltlich und didaktisch aufzubereiten sind, um den Studierenden eine optimale Lernerfahrung zu ermöglichen und die besten Lernergebnisse zu erzielen.

Ihre Vision: Wie sollte das Nachfolgemodell einer traditionellen Vorlesung aussehen, das Forschen und „Machen“ integriert (ganz gleich, ob in Präsenz oder online)?

Das hängt stark vom jeweiligen Fach ab. Für eine Mathe-Vorlesung ist ein traditionelles Format gut geeignet, da man dort die Überlegungen und an der Tafel entwickeln und dabei auch die Fragen der Studierenden unmittelbar einbeziehen kann. Eine Biologievorlesung dahingegen kann gut „umgedreht“ werden nach dem Prinzip des „flipped classroom“, wo sich die Studierenden Wissen durch Filme und Lesestoff aneignen und dann in Seminaren und Gruppenarbeit diskutieren und vertiefen. Auch hier sind die Fähigkeiten der Dozentinnen und Dozenten entscheidend – sie müssen ihre Lehre so gestalten, dass sie den Bedürfnissen der Studierenden optimal entsprechen.

Braucht man in zehn Jahren noch Dozierende oder reicht eine KI/Roboter, um die Lehre zu halten?

Bildung umfasst immer auch persönliches Wachstum und Reifung und bedarf in hohem Maße persönlicher Interaktion. Um ein gebildeter Mensch zu werden reicht es nicht aus, sich lediglich Fakten anzueignen – das Wissen muss sozusagen in die Person integriert werden. AI kann hier bestenfalls ergänzend eingesetzt werden, und die Präsenzlehre wird niemals redundant sein.

Aus Industrie und Gesellschaft kommen eine Reihe von Forderungen, was die Universitäten künftig in ihren Curricula unterbringen sollen. Wenn das Studium nicht verlängert werden soll, muss man auch fragen, was wir denn künftig nicht mehr benötigen. Haben Sie dazu Vorschläge?

Junge Leute beginnen heutzutage auf einem höheren Verständnisniveau, so dass wir andere Instrumente einsetzen und eine erhöhte Lernkapazität ansprechen können – kurz, dass wir den Lernprozess anders organisieren können.