Professorin Anja Steinbeck
Rektorin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Sollten wir nach der Pandemie wieder zu vollständigen Live-Kursen zurückkehren,
weiterhin reine Online-Lehre anbieten, oder hybride Lehrangebote machen?
Man neigt dazu, das vielzitierte „Beste beider Welten“ realisieren zu wollen. Wichtig ist mir hierbei, dass die präsente, physische Lehrwelt erhalten bleibt. Nur in ihr kann eine Universität erlebt werden, nur in Präsenz findet der überfachliche Austausch, dessen Wichtigkeit nicht überschätzt werden kann, statt.
Welche Lehrformate würden Sie sich online wünschen, welche im persönlichen Umfeld?
Anstatt Regeln zu erfinden, nach denen bestimmte Lehrformate in Präsenz und andere digital ablaufen müssten, sollten wir intelligent und dynamisch Lösungen finden, die sich an didaktischen Erfordernissen orientieren.
Ich kann mir beispielsweise vorstellen, dass sich Studierende zunächst die Grundlagen einer Thematik anhand guter didaktischer Unterlagen im Selbststudium aneignen und dann live, für den direkten Diskurs, auf den Campus kommen.
Auch praktische Fähigkeiten, beispielsweise im Labor, kann man nicht in digitalen Formaten erlernen.
Ihre Vision: Wie sollte das Nachfolgemodell einer traditionellen Vorlesung aussehen, das Forschen und „Machen“ integriert (ganz gleich, ob in Präsenz oder online)?
Digitale Interaktivität kann auch im Hörsaal stattfinden. Natürlich darf niemand benachteiligt werden, aber die Realität sieht doch schon lange so aus, dass beinahe alle Studierenden mit Smartphone, Tablet oder Notebook auf dem Campus sind. Das bietet Chancen für eine bessere Beteiligung. Partizipative Lehrveranstaltungen durch den Einsatz von Apps und anderen Tools führen zu einer direkten Beschäftigung mit den Inhalten und wirken nicht immer, aber immer öfter, vertiefend.
Braucht man in zehn Jahren noch Dozierende oder reicht eine KI/Roboter, um die Lehre zu halten?
Rein digitale Dozierende in zehn Jahren halte ich nicht nur für Science-Fiction, sondern auch für Fantasy. Es ist erstrebenswert, daran zu forschen, aber nicht wünschenswert, nur damit zu lehren.
Aus Industrie und Gesellschaft kommen eine Reihe von Forderungen, was die Universitäten künftig in ihren Curricula unterbringen sollen. Wenn das Studium nicht verlängert werden soll, muss man auch fragen, was wir denn künftig nicht mehr benötigen. Haben Sie dazu Vorschläge?
Das muss für jede Disziplin gesondert entschieden werden. Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht halte ich bei Wikipedia abrufbares Wissen nicht pauschal für entbehrlich. Und, auch wenn es die Curricula selbst nicht entlastet: Künftig wird die Studienorganisation und -verwaltung auf Papier nicht mehr benötigt.