„Verbote sind nicht sinnvoll.“

 

Im Gespräch mit Professor Stefan Pischinger

Ohne E-Fuels keine Klimaneutralität, sagt Professor Stefan Pischinger. Wir sprachen mit dem renommierten Antriebs-Experten und Leiter des Lehrstuhls für Thermodynamik mobiler Energiewandlungssysteme der RWTH Aachen über Brennstoffzellen und E-Fuels, Technologie-Offenheit, seinen größten Wunsch an die Politik und fragten ihn, welches Auto er privat nutzt.

 
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„Verbote sind nicht sinnvoll.“ Im Gespräch mit Professor Stefan Pischinger
 

Wir haben in den letzten Wochen und Monaten eine relativ aufgeregte Diskussion um ein Verbot von Verbrennermotoren erlebt. Was sagt ein Wissenschaftler zu dieser Diskussion?

Prof. Stefan Pischinger: Als Wissenschaftler ist man grundsätzlich kein Freund von Verboten. Technologie-Offenheit hat uns schon immer geholfen, beste Lösungen für verschiedene Anwendungen zu finden. Die Politik sollte meines Erachtens Incentives und Rahmenbedingungen schaffen, die darauf abzielen, das Ziel – in dem Fall CO2 neutrale Mobilität oder generell CO2 neutrale Energieversorgung – zu erreichen.

Welche alternativen Antriebsmethoden stehen bereits zur Verfügung?

Prof. Pischinger: Alternative Antriebsarten sind bereits viele im Einsatz: Elektrisch angetriebene Fahrzeuge, Hybridantriebe, bei denen Verbrennungsmotor und Batterie kombiniert werden. Dann gibt es mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen-Fahrzeuge, aber auch Verbrennungsmotoren, die mit synthetischen Kraftstoffen oder Wasserstoff betrieben werden. Bis auf den Verbrennungsmotor mit Wasserstoff sind alle bereits auf dem Markt verfügbar. Wollen wir unsere CO2-Ziele erreichen, müssen wir alle Möglichkeiten nutzen.

Wo stehen wir aktuell bei der Erforschung und Bereitstellung von Ersatz-Kraftstoffen?

Prof. Pischinger: Ersatz-Kraftstoffe ist ein gutes Stichwort, denn der Motor ist ja nicht das Problem. Das Problem sind die fossilen Kraftstoffe, die CO2 emittieren, das es vorher in der Atmosphäre nicht gab. Insofern geht es jetzt darum, kostengünstig CO2-neutrale Kraftstoffe herzustellen. Pilotanlagen dazu gibt es schon, zum Beispiel in Chile. Hier wird mittels Windenergie über Elektrolyse Wasserstoff hergestellt. Dieser wird mit CO2 aus der Atmosphäre verbunden, um so Methanol herzustellen. Methanol kann bereits als Kraftstoff eingesetzt werden, es kann aber bis hin zu synthetischem Benzin verarbeitet werden. Das passiert bereits und funktioniert.

Was ist für Sie der Antrieb der Zukunft und was der Antrieb der nahen Zukunft?

Prof. Pischinger: Man wird nicht auf eine Technologie alleine setzen können, weil es verschiedene Anwendungsfälle geben wird. So wird es auf großen Schiffen wohl noch auf lange Sicht der Verbrennungsmotor sein. Schaut man auf den PKW, wird die Batterie Mainstream sein, insbesondere dann, wenn der Strom in Deutschland erzeugt wird. Und in den Nutzfahrzeugen werden wir sowohl Batterien als auch Brennstoffzellen, als auch Motoren mit Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen sehen. Dieser Wettbewerb verschiedener Technologien ist auch gesund, weil er sich je nach Anwendungsfall unterschiedlich ausrichtet. Wenn Sie sehr hohe Leistungen brauchen, in Gegenden ohne Infrastruktur große Reichweiten gefragt sind oder es wenig Zeit für einen Tankstopp zum elektrischen Nachladen gibt, sind eben chemisch gebundene E-Fuels oder Wasserstoff geeignete Kraftstoffe.

Woran forschen Sie?

Prof. Pischinger: An allen Antriebsarten, an Motoren mit synthetischen Kraftstoffen, an Wasserstoff, Brennstoffzellen und Batterien. Insbesondere forschen wir rund um Wasserstoff, da es ein sehr attraktiver Kraftstoff auch für Verbrennungsmotoren ist, der sehr emissionsarme Mobilität realisieren kann. Wir erforschen auch Brennstoffzellen, die es erlauben, diesen Wasserstoff mit sehr hohen Wirkungsgrad in Strom umzuwandeln – und die übrigens auch sehr leise sind. Diese Fahrzeuge sind ja bereits am Markt, ebenso wie Batterie-elektrische Fahrzeuge. Hier ist die Batterie selbst ein spannendes Forschungsthema, weil es gilt, Kosten zu senken, aber auch Sicherheitsrisiken wie eine zu hohe Wärmeentwicklung zu minimieren. Das sind die Forschungsschwerpunkte am Lehrstuhl, wir betrachten das gesamte Antriebssystem und eben auch Kombinationen dieser Systeme. Eine Brennstoffzelle wird meistens mit einer Batterie kombiniert, ebenso ein Verbrennungsmotor. Allein das zeigt, wie wichtig die Technologie-Offenheit ist.

Was sind aktuell die großen Herausforderungen, was ist der nächste Schritt, der gemacht werden muss?

Prof. Pischinger: Es geht darum, immer zu wissen, welche Technologie sich gerade in welchem Reifegrad befindet, Beispiel batterieelektrisches Fahrzeug: Da ist am Markt bereits ein großer Anteil an Fahrzeugen verfügbar. Hier geht es darum, Kosten zu senken, die Batterie für eine hohe Lebensdauer weiterzuentwickeln und die Gefahr thermischer Reaktionen so gering wie möglich zu halten. Hinzu kommt bei den batterieelektrischen Fahrzeugen die Herausforderung Infrastruktur und die Bereitstellung regenerativer, CO2-neutraler Energien. Auch bei der Brennstoffzelle ist die Marktreife schon da, hier ist noch mehr Wert auf Senkung der Kosten und Erhöhung der Lebensdauer zu legen. Hier geht es um die Weiterentwicklung für die nächste Generation an kostengünstigen Antrieben mit hoher Lebensdauer und einem noch besseren Wirkungsgrad. Der Wasserstoffmotor ist noch nicht am Markt. Da sind jetzt noch intensive Forschungs- und Entwicklungs-Aktivitäten notwendig, um die Schadstoffe niedrig zu halten, eine hohe Leistungsdichte zu erreichen und auch die Wirkungsgrade zu steigern.

Wenn Sie einen Wunsch in Richtung Politik äußern dürften, welcher wäre das?

Prof. Pischinger: Wir müssen einen Dialog finden zwischen Politik, Industrie und Wissenschaft. Und der große Wunsch ist, dass dieser Dialog intensiviert wird, offen stattfindet und Verbote nach Möglichkeit ausschließt. Ich bin da eher für Incentives und Rahmenbedingungen, Loben ist doch generell besser als Kritik. Man kann auch durch Incentives steuern und Gutes fördern. Aber Verbote sind nicht sinnvoll.

Trauen Sie sich eine Prognose zu? Wo sind wir in zwei, drei Jahren?

Prof. Pischinger: Dann werden wir zumindest beim batterieelektrischen Fahrzeug Kostenneutralität zu heutigen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor haben, Brennstoffzellen-Fahrzeuge werden am Markt stärker verfügbar sein, inklusive der dazugehörigen Infrastruktur. Ich hoffe auf zwei- bis dreimal so viele Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland. Wichtig wird sein, generell einen Weg zur Technologie-Offenheit zu finden. Denn wir werden ohne die synthetischen, klimaneutralen Kraftstoffe die CO2 Neutralität nicht erreichen, weil bereits die Bestandsflotte so groß ist, dass wir im Jahr 2030 1,4 Milliarden Fahrzeuge auf der Straße haben werden, die mit Verbrennungsmotor betrieben werden.

Muss dieses Thema internationaler gedacht werden?

Prof. Pischinger: Ja. Ich bin fest davon überzeugt, dass nur eine internationale Anstrengung zur Lösung des Problems führen kann und auch wird. Deutschland importiert aktuell 70 Prozent der Gesamtenergie zum Beispiel in Form von Öl, Gas und Kohle. Wenn das in Zukunft regenerative Energien sein sollen, kommen diese sinnvollerweise auch aus den Ländern, die heute Fossile Energien exportieren. Denn das sind in aller Regel auch Länder mit viel Sonne und viel Wind. Und die Vermeidung von CO2 ist ohnehin eine globale Herausforderung.

Ist es ein Vorteil, dass beispielsweise E-Fuels aus diesen Ländern über die bestehenden Transportwege zu uns kommen könnten?

Prof. Pischinger: So ist es. Wenn wir in Deutschland regenerativen Strom erzeugen, ist die direkte Nutzung im Elektrofahrzeug der beste Weg, das ist keine Frage. In den sonnenreichen Ländern bekommt man aus einer Photovoltaikanlage die dreifache Menge an Strom. Wenn ich bei identischer Investition über dreimal so viel Strom verfüge, kann ich einige Umwandlungsverluste in Kauf nehmen, um die Energie nach Deutschland, Europa oder in die Welt zu transportieren. Dieser Ansatz ist auch kostenmäßig eher tragbar. Bei Herstellung in diesen Ländern prognostizieren wir Kraftstoffpreise von einem Euro pro Liter. Das ergibt dann auch sehr viel Sinn in der Gesamtenergieversorgung.

Die Internationalität haben wir angesprochen, wie wichtig ist für Forschung das Interdisziplinäre?

Prof. Pischinger: In der Forschung sind wir international schon seit langer Zeit vernetzt. Wissenschaftler arbeiten international zusammen, wir suchen auch international nach Lösungen. Und natürlich beobachten wir auch, wie in anderen Ländern geforscht wird. So wird in China intensiv weiter am Verbrennungsmotor mit alternativen synthetischen Kraftstoffen geforscht. Gerade auf das Thema Methanol schaut man dort intensiv, aber natürlich auch auf Brennstoffzellen mit Wasserstoff. Das heißt, wir sind international nicht nur in der Forschung vernetzt, sondern haben auch einen regen Austausch bezüglich der Marktsituation und politischen Rahmenbedingungen in anderen Ländern.

Ihr Forschungsthema hat eine große gesellschaftliche und politische Relevanz. Können Sie in Ruhe arbeiten?

Prof. Pischinger: Ach, in Ruhe forschen will doch keiner. Wir sind in der Forschung doch – im positiven Sinne – immer unter Druck. Forschung ist grundsätzlich ja längerfristig ausgelegt und auch auf längerfristig ausgelegte Forschung gibt es nicht nur den Druck, zu veröffentlichen, sondern auch kurzfristige Erkenntnisse abzuleiten – „low hanging fruits“, Lösungen, die schnell zum Einsatz im Markt kommen. Ein Beispiel ist unser vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Zukunftscluster Wasserstoff: Mittelfristig angelegt, führt es auch kurzfristig schon zu Ergebnissen.
Und klar, wenn wir über Wasserstoff reden, da ist schon Druck da. Aber zu wissen, dass das, woran man forscht, auch gebraucht ist und einen positiven Impact hat – nämlich die Erderwärmung zu verringern –, wirkt positiv und motivierend.

Was fahren Sie denn privat für ein Fahrzeug?

Prof. Pischinger: In der Stadt nutze ich ein Elektroauto, ich habe einen kleinen E-Smart mit einer kleinen Batterie, die auch in der Herstellung einen geringeren CO2-Footprint hat. Dann verfügen wir hier am Lehrstuhl über ein Brennstoffzellenfahrzeug, das ich gerne nutze. Bei sehr langen Strecken fahre ich auch noch mal einen Diesel, hoffentlich bald mit synthetischen Kraftstoffen.