Neue Wege nach Indien
Während sich einige mitteleuropäische Städte langfristig auf sinkende Einwohnerzahlen einstellen müssen, erleben urbane Zentren in Südasien eine Bevölkerungsexplosion. Gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern bringt diese rasante Urbanisierung eine Reihe von Problemen mit sich. Das Institut für Ingenieurgeologie und Hydrogeologie unter Leitung von Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Rafig Azzam beschäftigt sich seit Jahren mit den Auswirkungen, die das schnelle und oft ungeplante Wachstum für die Qualität und Quantität der Ressource Wasser in diesen Städten mit sich bringt. Diesen Erfahrungsschatz werden sie jetzt in ein neues Projekt einbringen, das vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gefördert wird und die Zusammenarbeit mit indischen Wissenschaftlern intensivieren will.
Im Rahmen des Sonderprogramms „A New Passage to India“ werden jetzt zwei Doktoranden 22 Monate lang am National Institute of Technology (NIT) in Rourkela arbeiten und zehn Masterstudierende dort zwei Monate verbringen. Im Gegenzug besuchen zwei Doktoranden des NIT fast zwei Jahre die RWTH und zwei indische Masterstudierende werden für zwei Monate nach Aachen kommen.
Die Antragstellung und Koordinierung dieses umfangreichen Projekts hat Dr. Klaus Baier vom Lehrstuhl für Ingenieurgeologie und Hydrogeologie übernommen. Zu seinen wichtigsten Aufgaben in den letzten Wochen gehörte die Betreuung der Ausschreibungsrunden, in denen geeignete Wissenschaftler gesucht wurden, die sowohl die fachlichen Voraussetzungen erfüllen als auch bereit sind, fast zwei Jahre in Indien zu arbeiten. Die Wahl fiel auf Jasmin Mohr und Kilian Christ. Jasmin Mohr hat in Karlsruhe Architektur mit dem Schwerpunkt nachhaltige Stadtentwicklung studiert und konnte bereits im Senegal als Mitarbeiterin einer Nicht-Regierungsorganisation Erfahrungen bei einem Wasserentsorgungsprojekt sammeln. Kilian Christ ist frisch gebackener Absolvent der RWTH, wo er den Magister in den Fächern Wirtschaftsgeografie, Volkswirtschaftslehre und Siedlungswasserwirtschaft machte. Die beiden packen gerade ihre Koffer und ziehen in das Gästehaus auf den Campus des National Institute of Technology in Rourkela, Indien, um. Von dort aus beschäftigen sie sich mit Themen zur „Interaktion zwischen Urbansierung und Wasserressourcen“. Je nach Datenlage wird in den nächsten Wochen eine geeignete Großstadt als Beispiel ausgewählt. Dabei untersucht Kilian Christ für seine Doktorarbeit vor allem informelle Prozesse wie zum Beispiel Slums, Gewerbeareale oder wilde Müllkippen. Jasmin Mohr will sich auf die Analyse von Lebensstilen, wie sie in bestimmten Vierteln vorherrschen, konzentrieren und exemplarisch deren Auswirkung auf den Wasserhaushalt untersuchen.
Bisher wurden die Auswirkungen eines starken und ungeplanten Wachstums ohne Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte in Bezug auf die Wasserqualität in Indien kaum untersucht. Experten gehen davon aus, dass auf dem Subkontinent Millionen von Menschen von den wassertechnischen Folgen betroffen sind und ungefähr 21 Prozent der ansteckenden Krankheiten dort auf kontaminiertes Wasser zurückzuführen sind. Die wissenschaftliche Kooperation der RWTH und dem National Institute of Technology in Rourkela will hier wichtige grundlegende Arbeit leisten.
Während ihres Aufenthalts werden Kilian Christ und Jasmin Mohr per Mail den Kontakt zur RWTH und Dr. Baier halten, der fachlicher und organisatorischer Ansprechpartner gleichzeitig ist. In Indien übernimmt diese Rolle Prof. Dr. Ramakar Jha vom Department of Civil Engineering. Bei einer internationalen Konferenz lernte er vor einem Jahr Mitarbeiter der Aachener Ingenieur- und Hydrogeologie kennen. Aus diesem Kontakt entwickelte sich dann die vom DAAD geförderte Kooperation. Prof. Jha freut sich über das erste gemeinsame Projekt: „In diesem Kontext können wir den kulturellen Austausch fördern und junge Leute aus Deutschland und Indien zusammen bringen, um an wichtigen Themen für eine bessere Zukunft zu arbeiten.“
Für die beiden Doktoranden, denen bald noch zehn Masterstudierende für jeweils zwei Monate folgen werden, laufen zurzeit die Vorbereitungen auf Hochtouren. „Es muss noch einiges organisiert werden“, sagt Kilian Christ. „Doch ich freue mich, wenn es dann losgeht und bin sehr gespannt auf diese Erfahrung!“ In Indien werden seine Kollegin und er sich hauptsächlich auf Englisch, der Wissenschafts- und zweiten Amtssprache, verständigen können. Damit sie auch außerhalb von Uni und Behörden klarkommen, pauken die beiden gerade die wichtigsten Floskeln auf Hindi.
i. A. Sabine Busse