Neuer Sonderforschungsbereich zur Darm-Leber-Achse

03.06.2019

Deutsche Forschungsgemeinschaft bewilligt drei Anträge der RWTH. Zwei Projekte wurden verlängert.

 

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet 14 neue Sonderforschungsbereiche (SFB) an deutschen Hochschulen ein, darunter sechs SFB/Transregio (TRR), die sich auf mehrere antragstellende Hochschulen verteilen. Die neuen SFB werden ab dem 1. Juli 2019 zunächst für vier Jahre mit insgesamt 164 Millionen Euro gefördert. Zusätzlich werden 27 SFB für eine weitere Förderperiode verlängert. Sonderforschungsbereiche ermöglichen die Bearbeitung innovativer, anspruchsvoller und langfristig konzipierter Forschungsvorhaben im Verbund und sollen damit der Schwerpunkt- und Strukturbildung an den Hochschulen dienen. Der RWTH-Antrag „Die Darm-Leber-Achse – Funktionelle Zusammenhänge und therapeutische Strategien“ wurde bewilligt, die Anträge zu „Thermo-energetische Gestaltung von Werkzeugmaschinen – Eine systemische Lösung des Zielkonflikts von Energieeinsatz, Genauigkeit und Produktivität am Beispiel der spanenden Fertigung“ sowie „Nanoswitches – Resistiv schaltende Chalkogenide für zukünftige Elektronikanwendungen: Struktur, Kinetik und Bauelementskalierung“ wurden verlängert.

Darm und Leber bilden eine funktionelle Einheit

Mit dem Ziel, die vielschichtigen Wechselwirkungen zwischen Darm und Leber zu verstehen und neue Therapieansätze für die Behandlung von Leber- und Darmerkrankungen zu entwickeln, arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der RWTH und der Uniklinik RWTH Aachen im Rahmen des neuen SFB 1382 „Die Darm-Leber-Achse – Funktionelle Zusammenhänge und therapeutische Strategien“ eng mit Forschergruppen der Charité Berlin, der Universitätsklinik Frankfurt und des Zentrums für Umweltforschung in Leipzig zusammen. Darm und Leber bilden – im Gesunden wie im Kranken – eine funktionelle Einheit. „Unter der ‚Darm-Leber-Achse‘ verstehen wir das anatomische und funktionelle Zusammenspiel von Darm und Leber“, erläutert Professor Oliver Pabst, Leiter des Instituts für Molekulare Medizin an der Uniklinik RWTH Aachen und Sprecher des Sonderforschungsbereiches. Das Zusammenspiel von Darm und Leber beruht auf vielfältigen Verknüpfungen auf anatomischer, zellulärer und molekularer Ebene. Über die Portalvene wird venöses Blut aus dem Darm in die Leber transportiert und in der Leber gebildete Produkte gelangen über die Gallengänge in den Darm. Endokrine Botenstoffe, Zytokine, Gallensalze, wandernde Immunzellen und Produkte der Mikrobiota vernetzen so beide Organe miteinander.

„Im Rahmen unseres Forschungsverbundes beschäftigen wir uns mit diesen und vielen weiteren Aspekten dieser kooperativen Organfunktionen“, so Pabst. „Dazu ersetzen wir die traditionelle organzentrierte Betrachtungsweise durch einen integrierten Ansatz, der die Wechselwirkungen zwischen Darm und Leber in den Fokus rückt.“ Ziel ist, die Mechanismen der Interaktionen von Darm und Leber mithilfe von optimal aufeinander abgestimmten grundlagenwissenschaftlichen Analysen im Detail zu entschlüsseln. Damit wird eine belastbare Basis etabliert, um Zielstrukturen für Therapien und Diagnostik zu identifizieren und innovative Therapieansätze zu entwickeln.

Nanoschalter können mehr als 0 und 1

Ziel des SFB 917 ist die Nutzung „Resistiv schaltender Chalkogenide für zukünftige Elektronikanwendungen“. Sprecher sind Professor Matthias Wuttig vom I. Physikalischen Institut der RWTH und Professor Rainer Waser vom RWTH-Institut für Werkstoffe der Elektrotechnik und Forschungszentrum Jülich.

In der konventionellen Halbleiterelektronik ist es in den letzten 40 Jahren gelungen, die relevanten Strukturgrößen kontinuierlich zu reduzieren. Allerdings stößt die Verkleinerung von Schaltkreisen zunehmend an physikalische Grenzen. In Oxiden und höheren Chalkogeniden lassen sich resistive Schaltprozesse realisieren, bei denen nanoskalige Funktionseinheiten genutzt werden, die prinzipiell eine noch bessere Skalierbarkeit erlauben sollten. Chalkogenide sind Verbindungen der Elemente Sauerstoff, Schwefel, Selen und Tellur, die es ermöglichen, den Widerstand durch Anlegen einer elektrischen Spannung zu verändern. Aufgrund des hysteretischen Charakters dieser Widerstandsänderung spricht man auch von einem memristiven Element – eine Wortkombination aus „Memory“ und „Resistor“. Ein solches Bauelement erlaubt es, neuromorphe, also gehirnähnliche, Funktionalitäten in einer Halbleiterschaltung zu verwirklichen.

Ziel des Sonderforschungsbereichs, der seit 2011 von der DFG gefördert wird, ist die Untersuchung zweier verwandter Schaltprozesse. Dabei arbeiten Forschende der RWTH und des Forschungszentrums Jülich eng zusammen, um Phasen- und Valenzwechsel von Oxiden und höheren Chalkogeniden zu nutzen. Diese beiden Varianten versprechen die notwendige Skalierbarkeit und kurze Schaltzeiten. Ein Verständnis der mikroskopischen Mechanismen dieser schnellen Schaltvorgänge und deren Kontrolle auf der Nanometerskala ermöglichen es, neue Ansätze in der Elektronik zu erreichen. Den beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist es im letzten Jahr gelungen, besonders schnelle Schalter auf Oxid- und Telluridbasis umzusetzen, die sich in weniger als 1 Nanosekunde schalten lassen. Dies ebnet den Weg zu neuartigen Bauelementen und neuen neuromorphen Rechnerarchitekturen.

„Thermo-energetische Gestaltung von Werkzeugmaschinen“

Mit der Bewilligung der finalen dritten Förderperiode des SFB/TRR 96 „Thermo-energetische Gestaltung von Werkzeugmaschinen – Eine systemische Lösung des Zielkonflikts von Energieeinsatz, Genauigkeit und Produktivität am Beispiel der spanenden Fertigung“ wird die Arbeit im Bereich des thermo-energetischen Verhaltens von Werkzeugmaschinen ebenfalls für vier weitere Jahre gefördert. Seit acht Jahren forscht ein interdisziplinäres Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der RWTH, der TU Chemnitz und der TU Dresden sowie des Fraunhofer IPT aus Aachen und des Fraunhofer IWU aus Chemnitz in 20 Teilprojekten daran, thermo-elastische Effekte in Werkzeugmaschinen verstehen, beschreiben und korrigieren zu können.

Dazu wurden in der ersten Förderperiode messtechnische und modellierungstechnische Grundlagen geschaffen und in der zweiten Förderperiode erfolgreich in Baugruppen integriert und weiterentwickelt. Die Bündelung der Kompetenzen der einzelnen Standorte ermöglichte eine Vernetzung von mathematischem, naturwissenschaftlichem und ingenieurtechnischem Know-how. Der Schwerpunkt der dritten Phase („Demonstrationsphase“) liegt auf der industriellen Anwendbarkeit der erarbeiteten Methoden und Lösungen an Werkzeugmaschinen. Herausforderungen dabei sind die Komplexität und das Einsatzspektrum des Gesamtsystems Werkzeugmaschine.

Im Rahmen des TRR wird der Standort Aachen vertreten durch die Lehrstühle für Werkzeugmaschinen und Technologie der Fertigungsverfahren des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen, durch das Fraunhofer IPT und durch das Institut für Wärme- und Stoffübertragung (WSA). Professor Christian Brecher vom WZL steht dem SFB/TRR seit der zweiten Förderperiode als Sprecher vor.

Redaktion: Presse und Kommunikation