600.000 Haushalte in Deutschland geraten zusätzlich unter die Armutsgefährdungsschwelle
RWTH-Lehrstuhl für Energiesystemökonomik untersucht Auswirkungen der steigenden Energiepreise. Auch infolge des Ukraine-Kriegs würden die einkommensschwachen Haushalte überproportional belastet.
Kontakt
Telefon
- work
- +49 241 80 49870
- E-Mail schreiben
In den letzten Monaten sind die Energiepreise sehr stark angestiegen. Zuletzt sorgte der Krieg in der Ukraine für eine weitere Anspannung bei den bereits sehr hohen Energiepreisen. Die starken Energiepreissteigerungen belasten auch private Haushalte. In einer Kurzstudie des Lehrstuhls für Energiesystemökonomik der RWTH Aachen wurden diese Auswirkungen in energieökonomischen Simulationsmodellen untersucht.
Über alle Haushaltsgruppen hinweg ist den Studienergebnissen zufolge eine deutliche finanzielle Mehrbelastung zu verzeichnen. Ein durchschnittlicher Vierpersonenhaushalt, der Wärme über eine Gasheizung bezieht, muss aktuell im Vergleich zu Anfang 2020, also vor den Auswirkungen der Corona-Pandemie, mit Mehrausgaben von 1.624 Euro auf ein Jahr hochgerechnet kalkulieren. Davon entfallen mit 172 Euro 10,6 Prozent auf Strom, mit 753 Euro 46,4 Prozent auf Erdgas sowie durchschnittlich mit 699 Euro 43,0 Prozent auf Benzin und Diesel
Die Studie untersucht die Folgen für Haushalte mit unterschiedlichen Einkommenssituationen. Die jährlichen Mehrausgaben liegen für die einkommensschwächsten Haushalte im untersten Dezil, also Zehntel, im Vergleich zu Anfang 2020 bei 492 Euro. Die Mehrausgaben der einkommensstärksten Haushalte liegen im obersten Dezil bei 1.419 Euro. Zwar liegt zwischen beiden Haushaltsgruppen bei den Mehrausgaben für Energie ein Faktor von 2,9, jedoch liegt im Vergleich zwischen den verfügbaren Einkommen beider Haushaltsgruppen ein Faktor von 8,2.
Einkommensschwächste Haushalte am stärksten betroffen
Die einkommensschwächsten Haushalte sind somit von den gestiegenen Energiepreisen gemessen am Einkommen am stärksten betroffen. Allein durch die seit Anfang 2020 deutlich gestiegenen Energiepreise rutschen laut den Ergebnissen der Studie zusätzlich rund 600.000 Haushalte in Deutschland unter die Armutsgefährdungsschwelle. Im untersten Dezil dominiert Erdgas mit 42 Prozent der gesamten Mehrausgaben für Energie. Dieser Anteil liegt bei den einkommensstärksten Haushalten im obersten Dezil bei 31 Prozent. Umgekehrt überwiegen im einkommensstärksten Haushaltsdezil Mehrausgaben für Benzin und Diesel mit einem Anteil von 43 Prozent. Dieser Wert liegt im einkommensschwächsten Dezil bei 24 Prozent.
Weiterhin kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die Haushalte angesichts der hohen Preise ihre Energieverbräuche in erheblichem Umfang reduzieren. Der durchschnittliche Vierpersonenhaushalt mindert infolge der höheren Energiepreise auf das Jahr gerechnet seinen Stromverbrauch um 4,9 Prozent (202 kWh), den Erdgasverbrauch um 25,0 Prozent (3.436 kWh) und verbraucht um 14,0 Prozent (205 Liter) weniger Kraftstoff (Benzin und Diesel).
Den Studienergebnissen des Lehrstuhls zufolge profitieren bei den jüngst seitens der Bundesregierung vorgestellten Entlastungen für Verbraucherinnen und Verbraucher bei Benzin und Diesel tendenziell eher einkommensstarke Haushalte. Einkommensschwache Haushalte würden eher von Entlastungen bei Erdgas profitieren. Weiterhin raten die Autoren der Studie möglichst von einer Entlastung über eine direkte Reduktion der Energiepreise ab. Die hohen Preise würden nämlich auch dazu beitragen, den Verbrauch von fossilen Energieträgern und die Importabhängigkeiten von diesen zu verringern.
Hier ist die Kurzstudie online verfügbar.