Ziemlich viel um die Ohren – Aachener Forscherinnen wollen die Lernatmosphäre für Kinder verbessern

 

Eine typische Alltagsszene in der Grundschule: Die Lehrerin steht vorne an der Tafel, während die Kinder auf ihren Plätzen sitzen und mehr oder weniger intensiv zuhören. Geräusche von draußen oder Gespräche der Sitznachbarinnen und -nachbarn werden dabei schnell zu einer Ablenkung. Wie leicht sich die Aufmerksamkeit von Kindern im Vor- und Grundschulalter beeinflussen lässt, wollten die Wissenschaftlerinnen Sophie Nolden, Ph.D. (Lehrstuhl für Kognitions- und Experimentalpsychologie, Institut für Psychologie, mittlerweile jedoch an der Goethe-Universität Frankfurt am Main beschäftigt) und Professor Dr.-Ing. Janina Fels (Lehr- und Forschungsgebiet für Medizinische Akustik, Institut für Technische Akustik) in einem von ERS geförderten Seed-Fund-Projekt untersuchen.

Die Kooperation zwischen den beiden Instituten besteht bereits seit 2012. Die Forschung zum Thema der sogenannten auditiven Aufmerksamkeit wurde jedoch bislang lediglich mit Erwachsenen durchgeführt. Bei diesen Untersuchungen wurden Probandinnen und Probanden in einer virtuellen akustischen Szene über Kopfhörer Zahlwörter aus verschiedenen Richtungen vorgespielt und die Teilnehmenden mussten bestimmen, ob die Zahl größer oder kleiner als fünf war, während gleichzeitig Störgeräusche zur Ablenkung abgespielt wurden.
„Da Kinder Geräusche jedoch anders wahrnehmen und darauf reagieren als Erwachsene, wollten wir die Forschung auf diese Zielgruppe ausweiten und eine Aufgabe schaffen, die zwar auf den Experimenten mit Erwachsenen basiert, jedoch kindgerecht gestaltet ist” erläutert Professor Janina Fels. Ziel des ERS-geförderten Projekts war es, eine komplexe Aufgabe zu schaffen, die mit Kindern durchführbar ist und durch die sich die Ergebnisse der Erwachsenen mit denen der Kinder vergleichen ließen.

  Junges Mädchen sitzt mit Kopfhörern und Buzzern vor Bildschirm Urheberrecht: © Karin Loh Kind beim Experiment

Als Untersuchungsort wurde ein Klassenraum gewählt, da dies ein typischer Ort für Kinder ist, an dem Aufmerksamkeit und Konzentration gefragt sind. Zunächst wurden über mehrere Stunden Messungen der akustischen Umgebung an fünf Aachener Grundschulen durchgeführt. Diese Messungen wurden später zur Simulation des typischen Hintergrundlärms in Grundschulen verwendet. Die zu entwickelnde kindgerechte Aufgabe sollte Reaktionszeiten und Fehlerraten erfassen, um Rückschlüsse auf die kognitiven Mechanismen der Aufmerksamkeitskontrolle zu ziehen.

Für die Aufgabe wurde ein virtueller Raum geschaffen. Am Anfang wurde dem Kind gezeigt, von wo das relevante Geräusch kommen soll, also von vorne, hinten, rechts oder links. Dann wurde eine Stimme abgespielt, die ein Tier nannte. Gleichzeitig ertönte eine Störstimme aus einer anderen Richtung. Das Kind hatte nun die Aufgabe die relevante Stimme zu erkennen und anzugeben, ob das genannte Tier fliegen kann oder nicht. Um die Aufgabe spielerischer zu gestalten, gab es ein Feedbacksystem mit LEGO Figuren, die signalisierten, ob das Ergebnis korrekt war oder nicht. Zudem konnten die Kinder Punkte in Form von Sternen sammeln.

  Mobiles Hörlabor auf Schulhof Urheberrecht: © Karin Loh mobiles Hörlabor

Unterstützt wurde das Projekt durch die Head Genuit Stiftung, mit deren Hilfe ein mobiles Hörlabor gebaut werden konnte, in dem die Versuche durchgeführt wurden. Die Idee zu dem mobilen Hörlabor entstand aus einem früheren ERS Boost-Fund-Projekt von Professor Fels, bei dem mit Kindern, die von ADHS betroffen sind, gearbeitet wurde und die Schwierigkeit darin bestand, Kinder zum Institut zu bringen beziehungsweise den Aufwand in Kauf zu nehmen, die Apparaturen immer wieder an einem anderen Ort aufzubauen. Mit dem mobilen Hörlabor, das in einem umfunktionierten Wohnwagen eingebaut ist, konnten die Forscher problemlos zu den Grundschulen gelangen.

Die Ergebnisse, die aus dem Projekt gewonnen wurden, sollen dazu beitragen die Entwicklung der Aufmerksamkeitskontrolle über die gesamte Lebensspanne zu verstehen. Zudem können damit Empfehlungen für eine bessere Raumakustik in Vor- und Grundschulen abgeleitet werden.