Das Adrenalin beim Runterspringen
Wasserspringer Alexander Lube studiert Bauingenieurwesen an der RWTH und hat eine Silbermedaille bei den World University Games geholt.
Gleich nach dem Gespräch geht es für Wasserspringer Alexander Lube in den Urlaub. Mit dem Bulli nach Korsika, zusammen mit Freundin Lina. Viel zu selten bleibt ihm für Privates im Alltag die Zeit: „Das leidet schon sehr.“ Sport, Studium, Privatleben – nicht einfach für den Bauingenieur-Master-Studenten (nach dem Abi am Pius-Gymnasium folgte zunächst ein Bachelor in Maschinenbau), das miteinander zu vereinen. Doch dem spärlichen Privatleben stehen großer sportlicher Erfolg und unbezahlbare Erfahrungen gegenüber. Sein Sport führte ihn schon nach Taiwan, vielfach nach Italien, Japan, Bulgarien oder Polen. Und jetzt eben nach China, wo‘s bestens lief für den 26-Jährigen Aachener: Der Vize-Europameisterschaft ließ er nun bei den „FISU World University Games“ in Chengdu die Silbermedaille im Synchronwettbewerb vom 3-Meter-Brett folgen. Im Einzelfinale wurde er Siebter vom Dreier und Vierter vom Einer. Nicht nur der sportliche Erfolg ist ihm dabei in bester Erinnerung geblieben, kommt doch bei den Spielen echtes olympisches Feeling auf. Ob Professionalität der Wettkampfstätten, das gemeinsame Leben aller Sportler in einem Dorf oder das „Deutsche Haus“ – alles erinnerte an den großen Bruder Olympische Spiele. Alles war gewaltig in diesen Tagen in China – die Distanzen zwischen den top-modernen Stadien – der Shuttle vom Dorf zur Sprunghalle dauerte eine Stunde – ebenso wie der gewaltige Aufwand an Volunteers, alles war groß, gigantisch und durchaus beeindruckend für die jungen Sportler. Und auch der Team-Spirit stimmte, wie Alexander nach seiner Rückkehr aus China zu berichten wusste:
Wart ihr eher Einzelkämpfer oder habt ihr euch wirklich als Teil des Teams Deutschland gefühlt?
Auf jeden Fall letzteres. Wir haben zum Beispiel die Zeit gehabt, das deutsche Judo- und Volleyball-Team anzufeuern, umgekehrt waren auch viele Sportler aus dem Team bei uns und haben uns unterstützt, das war richtig cool. Und auch jenseits der Wettkämpfe hat man sich ausgetauscht und gegenseitig supported – und wenn es nur bei einem zufälligen Treffen auf dem Flur war. Es gab auch regelmäßige Medaillenfeiern, bei denen dann alle zusammenkamen. Letztlich muss man sich das wie einen riesigen Uni-Campus vorstellen, mit zehn-, manchmal vierzehnstöckigen Gebäuden. Und das deutsche Team war dann auf den Etagen sieben bis zwölf, die restlichen Etagen in unserem Gebäude haben die Franzosen und Brasilianer bewohnt, die Stimmung war echt super.
Die Stimmung dürfte auch bei dir persönlich super gewesen sein – insbesondere nach der Silbermedaille?
Ja, ich bin superzufrieden. Es ist Teil unseres Sports, dass wir nach einem Wettkampf eigentlich nie sagen: Es war perfekt. Aber gerade wenn wir auf die starke Konkurrenz schauen: Wir haben schon das Maximale rausgeholt, und fast wäre es uns sogar gelungen, die eigentlich unschlagbaren Chinesen zu schlagen. Zumindest geärgert haben wir sie ein bisschen.
Hast du eine Idee, wieviel in deinem Sport die Athletik ausmacht und wie hoch der Kopf-Anteil ist?
Puh. Sehr schwer zu beantworten. Im Training liegt der Fokus eher auf Athletik und Technik und die Umsetzung dessen, was der Trainer verlangt oder man sich selber als Ziel setzt. Im Wettkampf sind bestimmt 60 Prozent mental: Nerven behalten, abrufen, was man trainiert hat und ganz wichtig: Darauf einstellen, dass man, wenn das Adrenalin dazukommt, plötzlich schneller dreht und höher springt. Im Wettkampf spielt der Kopf einfach die entscheidende Rolle.
Kommt dir dieses fokussieren können im Studium zugute?
Oh ja. Fokussierung und Hartnäckigkeit sind Eigenschaften, die Du in einem Ingenieursstudiengang dringend benötigst, damit Du nicht irgendwann nur noch die Hände überm Kopf zusammenschlägst.
Du bist in Aachen geboren, eigentlich müßig, nachzufragen, wie du zum Wasserspringen gekommen bist...
Wie so viele Andere auch: Noch vor der Einschulung musste ich in der Ulla-Klinger-Halle, damals hieß sie noch Westhalle, für irgendein Schwimmabzeichen vom Dreier springen und wurde von einem Trainer angesprochen, ob ich nicht Bock auf Wasserspringen hätte. Hatte ich.
Und wieviele Bauch- und Rückenplatscher hast du in deiner Karriere schon hingelegt?
Unzählige. Aber vom Zehner bin ich sehr vorsichtig, da mache ich nur Dinge, die ich unter Kontrolle habe, daher ist da bislang nichts passiert. Vom Dreier gehört‘s dazu, dass es im Training auch mal scheppert, das passiert einfach. Und wenn‘s aus Blödheit ist, weil man unkonzentriert ist. Der Klassiker ist, dass man aufgrund der hohen Fliehkräfte beim Drehen die Hand nicht am Körper halten kann und dann verliert man die Position und segelt irgendwie durch die Luft. Sieht selten gut aus.
Für einen Nicht-Wasserspringer schwierig, sich einen Sprung vorzustellen. Sind das Automatismen, die ablaufen?
Ja, alles. Alles läuft da unterbewusst.
Jetzt hast du Gelegenheit, Werbung für deinen Sport zu machen.
Das Faszinierende ist die Mischung aus allem. Es geht um Auspowern, um Athletik, Kraft, das Adrenalin, das in den Körper schießt, wenn Du irgendwo runterspringst, aber auch um den Perfektionismus, den es braucht, um stetig besser zu werden. Dadurch sind Wasserspringer koordinativ so breit aufgestellt, dass sie die wichtigsten Grundlagen für viele weitere Sportarten besitzen. Wir springen Trampolin, wir turnen, zum Aufwärmen spielen wir oft Fußball oder Tischtennis.
Und warum dann Maschinenbau und kein Sport-Studium?
(lacht) Weil bei mir der Spaß an Naturwissenschaft und Technik schon in der Schule da war. Und weil ich einfach total gerne als Ingenieur arbeiten möchte.
Wie häufig trainierst du?
An sechs Tagen in der Woche für 2,5 Stunden, für Wasserspringer ist das relativ wenig. Seit der Pandemie haben wir zudem häufig mit der Nationalmannschaft Lehrgänge gemacht, das sind dann sechs Stunden täglich an sechs Tagen hintereinander.
Bleibt da noch Zeit fürs Leben? Freundin, Freunde, Familie?
Manchmal ist das schwierig. Aber jetzt zum Beispiel habe ich den Jahreshöhepunkt hinter mir und kann alles ein bisschen entspannter machen. Man muss ich einfach sehr gut organisieren, mein Studium zum Beispiel habe ich viel von zuhause oder unterwegs gemacht. Dadurch bleibt der Uni-Alltag natürlich auf der Strecke, was ich sehr bedauere. Wie gerne würde ich mit meinen Freunden zur Vorlesung, in die Mensa, gemeinsam lernen – aber alles geht eben nicht, irgendeinen Kompromiss muss man finden.