Der Strukturwandel im Rheinischen Revier

 

Mögliche europäische Modellregion für Energieversorgungs- und Ressourcensicherheit

Spätestens im Jahr 2038 soll es zur Stilllegung des letzten Kohlekraftwerks in Deutschland kommen. Der damit einhergehende Strukturwandel wird somit zu einem Generationenprojekt, das eine ökonomische, ökologische, sozialverträgliche und nachhaltige Transformation anstrebt.

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Beachten Sie auch unseren mehrteiligen Podcast „Erzähl's mir, RWTH!” zum Thema Strukturwandel im Rheinischen Revier.

 

Der beschlossene Braunkohleausstieg ist primär energie- und klimapolitisch begründet, Deutschland hat sich mit der Energiewende ein großes Ziel gesetzt: Anstelle der nuklearen und fossilen Brennstoffe sollen regenerative Energien zum Einsatz kommen. Mit der grundlegenden Umstellung seiner Energieversorgung ist Deutschland damit weltweit eines von wenigen Ländern, das sowohl aus der Kernenergie als auch aus der Kohleenergie aussteigt.

Massive Veränderungen, die einen gesamtgesellschaftlichen Zuspruch benötigen

Die gesteckten Ziele bedingen einen tiefgreifenden und langjährigen Transformationsprozess, nicht nur im Energiebereich, sondern auch in gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Dieser kann nur gelingen, wenn er flächendeckenden Zuspruch erfährt. Im Jahr 2018 hat die Bundesregierung die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, kurz KWSB, eingesetzt, die sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Bereiche Politik, Wirtschaft, Umweltverbände, Gewerkschaften sowie der betroffenen Länder und Regionen zusammensetzte.

Die Kommission sollte darauf achten, dass die unterschiedlichen Interessen bedacht werden, und sie sollte dabei mithelfen, in der Gesellschaft eine möglichst große Übereinstimmung hinsichtlich der Gestaltung des Ausstiegs und des dadurch bedingten Strukturwandels zu erzielen. Die Gestaltung ist eine große Herausforderung, sie muss Ziele wie Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit vereinbaren.

Sehr viele Beschäftigte werden ihre Arbeitsplätze zunächst einmal verlieren. Es geht darum, neue Zukunftsperspektiven zu schaffen, einen attraktiven Standort für die Ansiedlung neuer Unternehmen, ebenso überzeugende Wohn- und Freizeitmöglichkeiten. Der Strukturwandel konfrontiert viele Menschen in den betroffenen Regionen und Kommunen mit einer ungewissen Zukunft. Auch das muss mitgedacht werden.

Rheinisches Revier soll eine Modellregion für Energieversorgungs- und Ressourcensicherheit werden

Die Voraussetzung für einen gelungenen Strukturwandel im Rheinischen Revier und anderswo ist die Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen auf Bundesebene. Das Revier soll sich mit Unterstützung von Bund und Land zu einer Modellregion für Energieversorgungs- und Ressourcensicherheit entwickeln, die nicht nur für die Region, das Land Nordrhein-Westfalen und die Bundesrepublik vorbildhaft ist, sondern auch für andere Länder.

 

Ein Meilenstein für die Energiewende in Deutschland

Ein Meilenstein für die Energiewende in Deutschland: „Kohleausstiegsgesetz“ und „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“

Der Abschied von der Kohleverstromung ist mit dem „Gesetz zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung und zur Änderung weiterer Gesetze“ , dem sogenannten Kohleausstiegsgesetz, beschlossen. Es wurde am 3. Juli 2020 vom Bundestag und Bundesrat verabschiedet und ist am 14. August 2020 in Kraft getreten. Dabei ist festgeschrieben, dass der Ausstieg in Deutschland „planbar und wirtschaftlich vernünftig zu beenden“ und der „Umbau der Energieversorgung auf nachhaltige Energie voranzutreiben“ ist.

Das „Kohleausstiegsgesetz“ folgt den energiepolitischen Empfehlungen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (KWSB) und schafft verbindliche Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Strukturwandel. Das Ziel der schrittweisen Senkung der Kohleverstromung ist, im Jahr 2030 65 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien zu gewinnen.

Die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung wird gleichzeitig verlängert und weiterentwickelt und damit die Umrüstung auf eine flexible und klimafreundlichere Stromversorgung. Ob die Kraftwerke möglicherweise jeweils schon drei Jahre vorher stillgelegt werden können, will die Bundesregierung in den Jahren 2026, 2029 und 2032 prüfen. Damit könnte Deutschland bereits 2035 der endgültige Ausstieg aus der Kohleverstromung gelingen.

Kohleregionen sollen dank des Strukturwandels besser denn je abschneiden

Die strukturpolitischen Empfehlungen der KWSB setzt das „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“ um, das ebenfalls am 14. August 2020 mit dem „Kohleausstiegsgesetz“ in Kraft getreten ist. Das „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“ ist ein sogenanntes Artikelgesetz, das einerseits mit dem „Investitionsgesetz Kohleregionen (InvKG)“ ein neues Stammgesetz geschaffen und andererseits verschiedene „Verkehrswegegesetze“ geändert hat. Mit dem „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“ sollen die betroffenen Regionen eine tatsächliche Chance erhalten, nach dem Ausstieg sogar erfolgreicher abzuschneiden als dies vorher der Fall war. Strukturwandel als einmalige Chance für eine bessere Zukunft auch in wirtschaftlicher Hinsicht mit der Schaffung neuer hochwertiger und zukunftsfähiger Arbeitsplätze. Kohleregionen sollen Zukunftsregionen werden, damit sich neue Unternehmen ansiedeln können und junge Menschen eine Zukunftsperspektive haben.

Es geht nicht nur darum, die Folgen des Ausstiegs abzufedern. Die Kohlereviere sollen mit dem Strukturwandel die Chance erhalten, sich zu modernen Energie- und Wirtschaftsregionen weiterzuentwickeln. Gemäß „Investitionsgesetz Kohleregionen“ erhalten die Braunkohleregionen bis 2038 Finanzhilfen von bis zu 40 Milliarden Euro. Hiervon entfallen 37 Prozent (bis zu 14,8 Milliarden Euro) auf das Rheinische Revier.

14 von den 40 Milliarden Euro sind für besonders bedeutsame Investitionen vorgesehen: Die Länder können diese investieren in eine wirtschaftsnahe Infrastruktur, den öffentlichen Nahverkehr, eine Breitband- und Mobilitätsinfrastruktur oder den Umweltschutz und die Landschaftspflege.

In seiner eigenen Zuständigkeit werden die betroffenen Regionen vom Bund mittels weiterer Maßnahmen mit Finanzhilfen bis zu 26 Milliarden Euro (von der Gesamtsumme 40 Milliarden Euro) unterstützt. Dazu zählen beispielsweise die Erweiterung von Forschungs- und Förderprogrammen, der Ausbau von Verkehrsinfrastrukturprojekten oder die Ansiedelung von Bundeseinrichtungen und mit ihnen zahlreiche neue Arbeitsplätze.

Weitere 240 Millionen Euro Soforthilfe

Der Bund kam mit einem Sofortprogramm von zusätzlichen 240 Millionen Euro auch einer weiteren Empfehlung der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ nach. 88,8 Millionen Euro kommen davon dem Rheinischen Revier zugute.

Mit der Summe sollten bereits zu einem frühen Zeitpunkt erste sichtbare Signale gesetzt werden. Die Finanzierung diente bereits 2019 ausgewählten Projekten aus bestehenden Bundesförderrichtlinien mit einer Laufzeit bis zum Sommer 2021.

Die ersten bewilligten Projekte, an denen auch Forscherinnen und Forscher der RWTH Aachen beteiligt sind, waren:

Aus richtig guten Ideen sollen Projekte werden – Mannigfache Beteiligung erwünscht

Das „Investitionsgesetz Kohleregionen“ schafft mit seinen Strukturhilfen von bis zu 40 Milliarden Euro viel Raum für herausragende und effiziente Ideen, aus denen Projekte werden können, die die betroffenen Regionen effizient und nachhaltig voranbringen können. Wenn ein Strukturwandel gelingen soll, ist nicht nur eine gute Zusammenarbeit von Bund und Ländern gefragt, sondern ebenso eine erfolgreiche Einbindung der Menschen im Revier, der zahlreichen Akteurinnen und Akteure aus den Kohleregionen. Ihr Disziplinen übergreifendes Wissen und ihre Ideen werden in Findungs- und Entscheidungsprozesse miteinbezogen.

Schneller Kohleausstieg – Das Land NRW macht es vor

Nordrhein-Westfalen nimmt beim Ausstieg aus der Kohleförderung und dem einhergehenden Strukturwandel eine Vorreiterposition ein. Zum 31. Dezember 2020 ist im RWE-Braunkohlekraftwerk Niederaußem der erste Block (Block D) mit einer Leistung von etwa 300 Megawatt vom Netz gegangen. Bis Ende 2022 soll in Niederaußem noch der Block C folgen, außerdem vier Blöcke des Kraftwerks Neurath sowie ein Block in Weisweiler. Bis Ende 2022 schreibt das „Kohleverstromungsbeendigungsgesetz“ bundesweit eine Reduktion der Braunkohle-Kraftwerksleistung um knapp drei Gigawatt vor. Das wird ausschließlich im Rheinischen Revier realisiert.

Bundesweit verlangt das „Kohleverstromungsbeendigungsgesetz“ bis 2038 Folgendes: „Das Zielniveau für die Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung ist bis zum 31. Dezember 2022 (Zieldatum 2022) 30 Gigawatt, bis zum 1. April 2030 (Zieldatum 2030) 17 Gigawatt und spätestens bis zum 31. Dezember 2038 (Zieldatum 2038) 0 Gigawatt verbleibende Nettonennleistung Steinkohleanlagen und Braunkohleanlagen am Strommarkt.“

 

Das Rheinische Revier kann Europas erste klimaneutrale Region werden

Die erste klimaneutrale Region in Europa werden zu können, ist eine große Chance. Doch der Strukturwandel im Rheinischen Revier stellt das Land NRW vor große Herausforderungen. Für die Menschen, vor allem diejenigen aus den betroffenen Kommunen, spielt die Gestaltung des Strukturwandels die entscheidende Rolle. Sie wollen soziale Sicherheit und Zukunftsperspektiven. Eben diese sollen durch zahlreiche Projekte zu zentralen Zukunftsthemen wie etwa Energie- und Verkehrswende, Klimaschutz oder Digitalisierung mit den von Bund und Land bereitgestellten Strukturmitteln geschaffen werden.

 
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