Wenn die Firma abends mit am Tisch sitzt
Aachener Start-up cylib gewinnt Innovationspreis NRW 2023 – Im Gespräch mit Co-Gründerin Lilian Schwich.
Gemeinsam mit ihrem ehemaligen Kommilitonen Paul Sabarny und ihrem Ehemann Dr. Gideon Schwich hat Lilian Schwich das Batterierecycling-Startup cylib gegründet. Eine Erfolgsstory, die ihr jetzt den Innovationspreis NRW 2023 einbrachte. Besondere Herausforderung: Um den Sieg in der Kategorie „innovation4transformation“ musste sie am Montagabend gegen zwei andere Start-ups live und vor Publikum pitchen. Das gelang herausragend gut, cylib gewinnt den Innovationspreis NRW 2023.
Was bedeutet Ihnen dieser Erfolg?
Lilian Schwich: Sehr viel. Dadurch wird unsere Forschung, von der Idee über die vielen Jahren im Labor bis heute gesehen und wertgeschätzt. Wir haben alle gemeinsam sehr viel Zeit und Energie in dieses Projekt gesteckt, Ergebnisse aus Abschlussarbeiten und die Arbeit von Werkstudierenden sind mit eingeflossen – und das ein oder andere Wochenende haben wir auch gern geopfert.
Gibt es Momente, in denen Sie sich wünschen, weniger Verantwortung zu tragen, vielleicht irgendwo angestellt zu sein?
Ich bin sehr viel unterwegs, fahre mit der Bahn von Stadt zu Stadt, am Wochenende macht sich schon mal Erschöpfung breit. Aber wenn ein kurzer Moment des Zweifels aufblitzt, wird dieser von Dankbarkeit und Freude überlagert, all das erleben zu dürfen. Also: Nein, ich bin einfach glücklich über all das, was hier passiert.
Wie sieht Ihr Alltag momentan aus? Welche Aufgaben machen Spaß, welche eher weniger?
An zwei bis drei Tage bin ich auf Reisen, die anderen Tage bei meinem Team in Aachen. Gerade wenn ich in Aachen bin, ist unser Kalender rappelvoll. Es macht mir zwar großen Spaß zu reisen, am liebsten bin ich aber vor Ort beim Team. Was mir nicht so viel Spaß macht, sind alle bürokratischen Aufgaben.
Finden Sie noch Zeit für Privates?
Mein Co-Founder ist ja auch mein Ehemann. Das macht es einerseits leichter, andererseits sitzt die Firma dann auch immer mit am Abendbrottisch (lacht). Wir haben entschieden, uns samstags immer frei zu nehmen, um eine kleine Insel zu schaffen. Dazu trage ich mir feste Termine zum Beispiel für Sport in meinen Kalender ein, der für meine Kolleginnen und Kollegen einsehbar ist, das funktioniert ganz gut.
Wo stehen Sie und „Cylib“ aktuell?
Wir haben hier in Aachen eine 2000 Quadratmeter große Pilotanlage in Betrieb genommen und sind gerade dabei, den validierten Prozess an den Start zu bringen und einige Anpassungen vorzunehmen. Die Batterie-Industrie ist eine sehr dynamische Branche und die Batterien, die heute in Autos verbaut werden, sind nicht unbedingt die, die in zehn Jahren verbaut werden. Da gibt es kontinuierliche Entwicklungen. Entsprechend erweitern wir ständig unsere Strategie, woran ich großen Spaß habe. Ich versuche, mit dem Fernglas in die Zukunft zu schauen, mögliche Probleme auszumachen und jetzt schon mit meinem Team Lösungen zu entwickeln.
Wie ist Ihr Werdegang und wie kam es zur Unternehmensgründung?
Ich habe Werkstoffingenieurwissenschaften an der RWTH studiert und mich im Master auf metallurgische Prozesstechnik und Metallrecycling spezialisiert. Insbesondere das Batterie-Recycling fand ich dann sehr spannend. Viele Komponenten in den Energieträgern können nicht zurückgewonnen werden oder müssen mit starken Säuren behandelt werden, um sie wieder nutzbar zu machen. Ich wollte helfen, das zu ändern. Daher habe ich viele Jahre zum Thema im Bereich Metallurgie geforscht, Gespräche mit der Industrie geführt und mit meinem Professor Anträge geschrieben. Als viele Firmen noch nicht auf der Agenda, wie man in dem Bereich recyceln kann. Mit unserem späteren Mitgründer Paul Sabarny habe ich damals auch ein Projekt betreut, bei dem es darum ging, Lithium und Graphit zu recyceln, zwei vernachlässigte Kinder in der Batterie. Wir haben durchgespielt, wie wir die Prozesse organisieren würden, haben Investoren gesucht und gefunden und dann ging es los. Unser erster großer Erfolg war sicherlich, als wir im Oktober 2022 unseren ersten Investor gefunden haben. Da ist ein großer Druck von uns abgefallen.
Haben einige der großen Player schon Interesse gezeigt, mit Ihnen zusammenzuarbeiten?
Die Nachfrage aus der Industrie ist gigantisch. Wir haben mit großen Startups in der Batteriezellfertigung gesprochen, mit den Lieferanten der Batterien und Materialien, aber auch bei den Abnehmern unserer recycelten Produkte besteht ein großes Interesse. Wir sprechen allein mit fünf Herstellern für Lithium.
Bekommen Sie im Angesicht der rasanten Entwicklung von Cylib manchmal Angst vor der eigenen Courage?
Nein, ich bin sehr zuversichtlich, weil Batterie-Recycling eine wichtige Rolle im Transformationsprozess spielt. Technologien, die ganzheitlich und nachhaltig sind, werden sich durchsetzen, und ich habe die Hoffnung, dass nicht nur die großen Player unterstützt werden.