Sonderforschungsbereich 985

 

Funktionelle Mikrogele und Mikrogelsysteme

Zum Hintergrund

In der modernen Polymerforschung gewinnt die Beherrschung zunehmend komplexer molekularer und supramolekularer Strukturen immer stärker an Bedeutung. Sie zielt auf hochfunktionelle, z. B. responsive Materialien, welche über externe Parameter geschaltet werden können. Das dynamische Schaltverhalten ist dabei mit den charakteristischen Längenskalen verknüpft. Die Entwicklung interaktiver und „intelligenter“ Systeme – charakteristisch für lebende Organismen, aber synthetisch bisher nicht erreichbar – ist die Vision aktueller Polymerforschung.

Ein entscheidendes Merkmal biologischer Systeme ist deren differenzierte Organisation über viele Längenskalen in einer wässrigen Umgebung. Der funktionelle Aufbau molekularer Einheiten im Nanometerbereich führt durch Selbstorganisation zu großen, komplexen Überstrukturen, die sich durch eine Kompartimentierung ihrer Funktionen ausweisen. Hierarchischer Aufbau, verknüpft mit funktioneller Kompartimentierung, ermöglicht selektiven sowie gesteuerten Stofftransport und Energieumwandlung und bildet die Grundlage für die Interaktivität lebender Organismen.

 

Mikrogele

Mikrogele sind vernetze Polymerpartikel, die mit Lösemittel – zum Beispiel Wasser – gequollen und kleiner als einige Mikrometer sind. Diese "Mikroschwämme" weisen besondere Eigenschaften auf – sie sind weiche Partikel mit definierter Größe, aber unscharfer Oberfläche. Sie passen Größe und Form an die Umgegungsbedingungen an. Sie sind strukturierbar  und biokompatibel und können mit unterschiedlichsten physikalischen, chemischen und biologischen Funktionen ausgestattet werden. Aus diesem Grund werden sie auch als "intelligente" Materialien bezeichnet.

 

Entwicklung biobasierter Materialien

Diese Überlegungen bilden den Rahmen für den SFB Funktionelle Mikrogele und Mikrogelsysteme. Mikrogele sind weiche, vernetzte Polymerteilchen – eine einfache und zugleich komplexe Polymerarchitektur mit Durchmessern kleiner als einige Mikrometer –, die in einem kontinuierlichem Medium, vorzugsweise Wasser, gelöst sind.

Ihre einzigartigen, teilweise gegensätzlichen Eigenschaften eröffnen neue Möglichkeiten für die Entwicklung bioinspirierter Materialien. Da Mikrogele weich sind, können sie zu schaltbaren Partikeln mit komplexer Morphologie modifiziert werden, deren Gestalt und Funktion sich an die Umgebung anpassen. Damit unterscheiden sie sich entscheidend von starren kolloidalen Partikeln, deren Größe und Form nicht durch die Umgebung beeinflussbar sind. Darüber hinaus ist der Stofftransfer bei starren Partikeln äußerst limitiert, wohingegen Mikrogele kontrollierbare Quellungs- und Oberflächeneigenschaften aufweisen und vielfältige Stoffaustauschprozesse ermöglichen. Mikrogele kombinieren somit Eigenschaften gelöster Makromoleküle und kolloidaler Partikel.

Expertise aus verschiedenen Fachbereichen

Eine große Herausforderung der Forschung im Bereich weicher Materie liegt darin, unterschiedliche Expertisen zusammenzuführen: die Synthese neuer und hochfunktioneller Mikrogele muss mit einem skalenübergreifenden, quantitativen Verständnis ihrer Struktur und Eigenschaften verknüpft werden, um eine präzise Herstellung und Formulierung sowie schließlich eine Systemintegration zu ermöglichen, welche die Interaktionen des Mikrogels mit seiner Umgebung für innovative Anwendungen nutzt.

Um das herausragende Potential funktioneller Mikrogele nutzen zu können, muss die Verfahrenstechnik für solch weiche Partikel erschlossen werden. Weiterhin erfordert die Entwicklung biohybrider und biofunktioneller Materialien biotechnologische und medizinische Expertise.

Der SFB führt daher Arbeitsgruppen aus Bereichen zusammen, die oft unabhängig voneinander agieren: Polymerwissenschaften, Verfahrenstechnik und Lebenswissenschaften. Diese besondere Kombination ermöglicht uns einen umfassenden Forschungsansatz auf unterschiedlichen Ebenen:

  1. Design des funktionellen Mikrogelpartikels
  2. nachhaltige Herstellungs- und Formulierungsprozesse
  3. Integration in innovativen Anwendungssystemen

Ziel des SFB

Die Vision des SFB ist, ein quantitatives Eigenschaftsverständnis und Design von Mikrogelen im Kontext des Gesamtsystems zu erzielen. Dabei erfüllt die Funktionalität der Mikrogele die Anforderungen in Herstellungs-, Formulierungs- und Anwendungsprozessen.

Im SFB werden generische Methoden für ein rationales Produkt-Prozess-Design entwickelt, welches zunächst die Zieleigenschaften eines Anwendungsprozesses quantifiziert und dann das Design neuer interaktiver Materialeigenschaften ermöglicht.

 

Externe Links