RWTH-Wissenschaftler forschen zu Windwurfflächen
Windwurfflächen entstehen, wenn durch Stürme Bäume im Wald entwurzelt oder umgeknickt werden. So fielen beim Sturm Kyrill im Jahr 2007 in Nordrhein-Westfalen Bäume auf einer Fläche von 50.000 Hektar um, wodurch allein im Wald Schäden in Höhe von 1,5 Millarden Euro entstanden. Diese sind noch heute sichtbar: Bisher konnten nur 55 Prozent des betroffenen Gebiets aufgeforstet werden, beim übrigen Teil hofft man auf eine Wiederbewaldung durch natürliche Prozesse. Das Forschungsinstitut für Ökosystemanalyse und -bewertung (gaiac) e.V., ein An-Institut der RWTH Aachen, arbeitet an einem Simulationsmodell zur Darstellung der natürlichen Entwicklung dieser Flächen. Die Arbeit der Wissenschaftler ist Teil des vom Europäischen Fond für Regionale Entwicklung geförderten Projekts „Virtueller Wald NRW“ und wird mit 170.000 Euro gefördert.
Standortbedingungen entscheiden
Aufgrund der Zunahme extremer Naturereignisse sollen künftig naturnahe Entwicklungs- und Regenerationsprozesse von Windwurfflächen in die konventionellen Praktiken der Forstwirtschaft integriert werden. Die Wiederherstellung natürlicher Waldlebensgemeinschaften in ihrer Arten- und Formenvielfalt ist dabei von zentraler Bedeutung. Die Prognose der Entwicklung einer Windwurffläche ist selbst für Experten schwierig, denn die jeweiligen Bedingungen – Standort, umliegende Vegetation, Bestandsgeschichte – können eine unterschiedlich starke Rolle spielen. Das in Aachen entwicklete Simulationsmodell soll daher die vielfältigen Prozesse integrieren und gewichten. Ermöglicht wird dies durch eine Kombination klassischer Methoden mit modernsten Techniken. Dabei werden zum einen Langzeit-Monitoringdaten ausgewertet. Zum anderen werden Fernerkundungsdaten durch Überfliegung oder aus Satellitendaten und weitere georeferenzierte Daten, beispielsweise aus Bodenkarten, genutzt, um möglichst genaue Informationen über den Standort zu erlangen. Ziel ist es, eine gebietsspezifische Prognose zu ermöglichen. Die Ergebnisse werden anschließend interaktiv visualisiert und dem Nutzer so eine eindrückliche Prognose der natürlichen Wiederbewaldung vermittelt.
Dr. Silvana Siehoff, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsinstitut für Ökosystemanalyse und -bewertung, betont: „Die Simulation der natürlichen Entwicklung von Windwurfflächen wird wertvolle Erkenntnisse über den Umgang mit extremen Naturereignissen in unseren Wäldern liefern. Wenn die natürliche Wiederbewaldung in das Konzept des Waldbaus integriert werden kann, wird dies zum einen die Wiederherstellung natürlicher Waldlebensgemeinschaften fördern und zum anderen den ökonomischen Schaden von Sturmschäden im Wald mindern.“
Das Projekt Virtueller Wald
Das Projekt Virtueller Wald ist ein institutsübergeifendes Forschungsvorhaben von acht Kooperationspartnern, an dem das RWTH-Institut für Mensch-Maschine-Interaktion (MMI) federführend beteiligt ist. Institutsleiter Prof. Dr.-Ing. Jürgen Roßmann: „Die vorhandenen Ressourcen im Wald sollen sowohl unter ökologischen wie auch unter ökonomischen Kriterien nachhaltig genutzt werden. Technologietransfer aus der Raumfahrt und der terrestrischen Robotik macht es möglich, kostengünstig aktuelle Informationen sowohl für forstwirtschaftliche als auch für ökologische Fragestellungen zu gewinnen und so – beispielsweise auch unter Berücksichtigung des Klimawandels – die richtigen Entscheidungen für die Waldentwicklung zu treffen.“ Im Mittelpunkt der Entwicklungen des MMI steht das integrierte Großraumwaldinformationssystem, welches den Wald in NRW flächendeckend und stets so aktuell wie möglich beschreibt. Auf der Basis vorhandener Geo- sowie flächendeckend verfügbarer Fernerkundungsdaten werden zunächst Baumartenkarten, dann Bestandesinformationen sowie zukünftig „digitale Visitenkarten“ für die etwa 240 Millionen Einzelbäume in NRW abgeleitet.
Autoren: Dr. Silvana Siehoff, Arno Bücken