Anotida Madzvamuse

 
Aufenthalt an der RWTH Aachen 2013: Gastprofessur im Programm ERS International
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Professor Dr. Anotida Madzvamuse ist führender Experte auf dem Gebiet der mathematischen Modellierung zur Beschreibung von biologischen Prozessen wie der Zellwanderung und ihrer cytoskeletalen Dynamik für die Life Sciences. Er unterrichtet seit 2006 an der University of Sussex in Brighton, UK, am Lehrstuhl für Mathematik und steht mehreren Forschungsgesellschaften und -kooperationen für Mathematische Wissenschaften wie dem Africa Advanced Study Institute vor und ist ihr Förderer und Mitgründer. 2013 besuchte er als Gastwissenschaftler die RWTH Aachen und dort das Institut für molekulare und zelluläre Anatomie (MOCA). Dr. Madzvamuse absolvierte 1991 sein Bachelorstudium der Mathematik und Erziehungswissenschaften an der Universität von Zimbabwe. Nach einigen Wissenschaftsjahren ging er 1997 für seinen Master nach Oxford. 2000 erlangte er dort auch seinen Doktorgrad, 2003 seine Habilitation. Von 2003 bis 2006 war er Assistenzprofessor an der Auburn University in Alabama, USA, bis er 2006 für eine Professur an die University of Sussex, UK, wechselte und dort bis heute forscht und lehrt.

 

 

Interview mit Anotida Madzvamuse

Prof. Antonida Madzvamuse © A. Madzvamuse

Während seines zweiwöchigen Aufenthaltes am Institut für Molekulare und Zelluläre Anatomie, kurz MOCA, wurden im engen Austausch mit dem RWTH-Lehrstuhl für Bildverarbeitung, das auch mit dem Institut für komplexe Systeme, Biomechanik, des Forschungszentrums Jülich zusammenarbeitet, mathematische Analyse- und 3-D-Darstellungsmethoden zellulärer Mechanismen diskutiert und erprobt.

Was ist ihr Forschungsgebiet und können sie uns kurz erklären in welchem Kontext ihre Forschung wichtig ist?

Meine Forschung liegt an der Schnittstelle zwischen den Grundlagendisziplinen – Mathematik, Physik, Computerwissenschaften – und ihrer Anwendung in den experimentellen Wissenschaften – Entwicklungsbiologie, Biochemie, Medizintechnik, Pflanzenbiologie, Epidemiologie, um einige Beispiele zu nennen. Bei letzteren sind mathematische Modellierung, Analyse und Simulation von experimentellen Beobachtungen – in vivo oder in vitro – getragen. Modellierung wiederum kann Experimente validieren und Vorhersagen machen, die dann experimentell im Labor überprüft werden können.

Ganz konkret entwickelt meine Gruppe beispielsweise auf Grundlage differenzieller Geometrie neue mathematische Modelle für die 3D-Zellmigration. Ebenso suchen wir die Mechanismen der Musterbildung in biologischen Systemen, z.B. bei Wachstumsprozessen, zu modellieren. Generell geht es darum, mit mathematischen Ansätzen auf Hochleistungsrechnern inverse Probleme in den Experimentalwissenschaften  zu lösen. Auf dieser Grundlage ist es möglich, das experimentelle Design zu optimieren. 

Was hat zu Ihrem Aufenthalt als Gastwissenschaftler an der RWTH Aachen geführt? Gibt es einen bestimmten Grund, dass Sie sich Deutschland und die RWTH Aachen ausgesucht haben?

Die RWTH hat den Ruf, in den experimentellen und theoretischen Wissenschaften zu den führenden Universitäten weltweit zu gehören. Ich persönlich bin von Kollegen wie Professor Georg Hetzer auf die RWTH und ihre Leistungsfähigkeit in den Naturwissenschaften aufmerksam gemacht worden. Georg Hetzer, einst Mathematikprofessor an der RWTH Aachen, lehrt und forscht nun an der Auburn University in Alabama, USA.

Ganz konkret wurde mein Kontakt zur RWTH, als Dr Reinhard Windoffer 2012 meine Forschergruppe an der University of Sussex besuchte, um gemeinsam mit uns Anträge auf EU-Fördermittel auszuarbeiten. Sein Heimatinstitut, das Institut für Molekulare und Zelluläre Anatomie unter Leitung von Professor Rudolf Leube, ist führend bei Experimenten in der Zellbiologie, und ich war auf der Suche nach einem Forschungspartner auf diesem Gebiet.

Ich freue mich, dass unsere Zusammenarbeit nun richtig losgeht und verspricht, greifbare Ergebnisse in der Forschung sowie für die Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern zu liefern. 

Wie haben Sie die Interaktion mit den Studierenden und Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen an Ihren Gastinstituten, dem Institut für Molekulare und Zelluläre Anatomie und dem Lehrstuhl für Bildverarbeitung, erlebt?

Mein Besuch der RWTH war in jeder Hinsicht exzellent. Zunächst war ich sehr glücklich darüber, die bedeutende Theodore-von-Kármán-Fellowship zu bekommen, die meinen zweiwöchigen Aufenthalt an der RWTH möglich gemacht hat.

Am Institut bin ich sehr herzlich aufgenommen worden. Für mich als Mathematiker war es besonders interessant, einen Einblick in modernste Experimente zu bekommen, d.h. einen Einblick darüber wie man „wet science“ im Labor betreibt – im Gegensatz zur „dry science“ der Mathematik, Modelle und Simulationen.

Zunächst wurde mir in einer Art Crash-Kurs eine tägliche Dosis Zellbiologie verabreicht – Dr. Windoff hat mir in Eins-zu-eins-Gesprächen insbesondere die Intermediärfilamente nähergebracht und erklärt, wie diese die Zellmigration beeinflussen.

Mein beeindruckendstes Erlebnis war allerdings, chirurgische Eingriffe an freilebenden und mutierten Mäusen mitzuerleben, die dazu dienen, Zellinformationen auf mikroskopischer Ebene aus den Herzen der Mäuse zu gewinnen. Das letzte Mal, dass mit einem weißen Kittel, Handschuhen und Forscherutensilien herumgelaufen bin, war in der Schule, doch da haben wir im Vergleich doch eher mit Spielzeug gearbeitet! Zu sehen, wie im Labor mikroskopische Daten an Mäusen gesammelt und gespeichert werden, hat mich sehr beeindruckt, und ich danke Dr. Claudia Krusche, dass sie mir diese unvergesslichen Eindrücke ermöglicht hat.      

Neben diesen ganz praktischen “Wet Science”-Erfahrungen im Labor habe ich auch an Seminaren und Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen des Teams von Professor Leube teilgenommen (mein Dank geht an Reinhard für seine Dolmetschertätigkeit!) sowie interessante Gespräche mit Experten auf dem Gebiet der Bildgebung und des computergestützten Sehens geführt. Ein Projekt meiner Forschergruppe beschäftigt sich mit der Entwicklung von Zelltracking-Algorithmen, und nun hoffen wir, durch Zusammenarbeit mit den Computer-Vision-Experten unsere Modelle verfeinern und besser validieren zu können. Die Entwicklung kommerziell vermarktbarer Algorithmen ist ein weiteres Ziel.

Schließlich war es auch hilfreich, dass das MOCA auch Professor Stephanie Portet von der University of Manitoba in Kanada eingeladen hat. Sie ist Expertin für die Modellierung von Intermediärfilamenten, und unsere trilaterale Zusammenarbeit war sehr fruchtbar.

Wenn Sie auf Ihren Aufenthalt an der RWTH Aachen  zurückblicken, welche Erfahrung war für Sie die lohnendste?

Definitiv meine Erfahrungen mit der experimentellen “wet science”. Ich hoffe, in Zukunft weitere Erfahrungen sammeln zu können, um gemeinsam mit meinem Team und meinen Studierenden mehr über experimentelles Design zu lernen. Die für mich wichtigsten Ergebnisse kann ich in vier Punkten zusammenfassen:

  1. Einblick in und Wissen über die experimentellen Datengewinnung
  2. Experimentelle Beobachtungen zur Zellmigration
  3. Entwicklung eines mathematischen Modells für Intermediärfilamente (Keratin)
  4. Gemeinsame Förderanträge. Hier sind wir sehr aktiv und haben bereits nennenswerte Förderung für unsere Forschungsaktivitäten erhalten. Beispielsweise haben wir nun unter meiner Federführung ein 6-monatiges Forschungsprogramm unter Mitwirkung der University of Sussex (Dr. Anotida Madzvamuse), des MOCA der RWTH Aachen (Prof. Rudolf Leube), des Institute of Complex Systems am Forschungszentrum Jülich (ISC-7, Prof. Rudolf Merkel), und der University of Minnesota in den USA (Prof. Hans Othmer) ins Leben gerufen. Dieses wird am Newton Institute for Mathematical Sciences in Cambridge, Großbritannien, unter dem Thema Coupling Geometric PDEs with Physics for Cell Morphology, Motility and Pattern Formation durchgeführt. Einer der Workshops wird von der RWTH Aachen und dem ISC-7 geleitet mit dem Ziel, die Teilnehmenden in die experimentelle Ansätze im Bereich der Zellbeweglichkeit einzuführen.   

Gibt es noch etwas, das sie gerne erwähnen möchten?

Mein herzlicher Dank gilt der Fakultät sowie den Forschenden und Studierenden am MOCA und dem ISC-7, die meinen Aufenthalt zu einem solch fruchtbaren und glücklichen Erlebnis haben werden lassen. Ebenso möchte ich Prof. Leube und Dr. Windoffer und ihren Familien danken, nicht zuletzt für all die köstlichen Abendessen! Nicht zuletzt danke ich Prof.  Stephanie Portet, die mich in die Mathematik der Intermediärfilamente eingeführt und mich oft auf interessanten Spaziergängen zwischen dem RWTH-Gästehaus und dem Labor sowie auf Exkursionen durch die schöne Stadt Aachen begleitet hat.

Herzlichen Dank, Professor Madzvamuse!