Steven Small

  Professor Solodkin, Professor Binkofski (Uniklinik Aachen), Professor Small © privat/Small

Professor Solodkin, Professor Binkofski (Uniklinik Aachen), Professor Small

 
Forschungs-aufenthalt an der RWTH Aachen Gastprofessor und Kármán Fellow innerhalb des Programms ERS International, Februar 2014
Informationen über unseren Alumnus

Professor Steven Small, Ph.D., M.D., ist ein international anerkannter Wissenschaftler auf dem Gebiet der Hirnforschung. Zurzeit leitet er das  Department of Neurology und ist Direktor des Neuroscience Imaging Center an der University of California, Irvine. Nach seinem Studium der Mathematik promovierte er 1980 in Informatik, mit dem Schwerpunkt Kognitionswissenschaft und Künstliche Intelligenz. Nach einem Fulbright-Aufenthalt an der Universität Paris, Frankreich, lehrte er an der University of Rochester und studierte dort Medizin. Im Anschluss absolvierte er sein praktisches Jahr in Neurologie an der University of Pittsburgh. Inzwischen ist Small Professor Emeritus der University of Chicago. International bekannt ist er für seine Grundlagenforschung zur Modellierung von Sprachfunktionen und ihrer Rehabilitation nach einem Schlaganfall. Seine Arbeit gilt als höchst relevant für die Erforschung von Sprach- und motorischen Funktionen, unter anderem mit Hilfe bildgebender Verfahren. Neben seinen zahlreichen wissenschaftlichen Leistungen ist Small Gründer der Society for Neurobiology of Language und Mitherausgeber der wissenschaftlichen Zeitschrift Brain and Language.

Auf Einladung von Professor Ferdinand Binkofski, Inhaber des Lehrstuhls für Neurologie an der Uniklinik RWTH Aachen, besuchten Professor Small und seine Kollegin Prof. Anna Solodkin von der University of California at Irvine im Februar 2014 die Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums. Die beiden Kármán-Fellows informierten sich in Aachen auch über die Hirnforschung im Rahmen von JARA, der Jülich-Aachen Research Alliance. Eine Zusammenarbeit der Aachener Neurologie mit den Teams der Kármán-Fellows Small und Solodkin in der Apraxieforschung ist geplant.

 

Wir sind froh und stolz, die Professoren Small und Solodkin, beide weltbekannte Neurologen, bei uns zu Gast gehabt zu haben. Somit konnten wir sehr von der Kármán Fellowship profitieren, nicht zuletzt, da wir nun die Möglichkeit haben, ein neues Projekt durchzuführen, das neurophysiologisches und linguistisches Fachwissen vereint. Derzeit erarbeiten wir Anträge zur Finanzierung unser internationalen Zusammenarbeit. In der Folge des Gastaufenthalts haben wir, zusammen mit Frau Professor Svenja Caspers  vom Forschungszentrum Jülich, an einem Buchprojekt der Professoren Small und Hickok mitgewirkt und ein Kapitel zum Intraparietalen Lappen verfasst. Somit wird klar, wir wertvoll und fruchtbar die ERS-Förderung für uns war.    


Professor Binkofski und Dr. Klann

  Ferdinand Binkofski © privat Professor Ferdinand Binkofski   Juliane Klann © privat Dr. Juliane Klann  

Steven Small im Gespräch

Professor Small, was ist Ihr Forschungsgebiet?

Meine Kollegin Dr. Ana Solodkin und ich erforschen Schaltkreise im Gehirn sowie zerebrale Konnektivität auf systembiologischer Ebene. Mit anderen Worten: wir betrachten verschiedene Bestandteile des Gehirns und wie sie zusammenarbeiten, um kognitive Funktionen auszuüben.

Ich selbst interessiere mich insbesondere für die Neurobiologie menschlicher Sprache, also wie es Verschaltungen im Hirn uns ermöglichen, miteinander zu sprechen und einander zu verstehen, zu lesen und zu schreiben. Wie das auf der Ebene der Hirnschaltkreise funktioniert, wissen wir eben noch nicht genau. Daher versuche ich herauszufinden, welche Art von Verschaltungen für Sprache verantwortlich sind. Das ist ein Ansatz, der sich auf die Art der Verknüpfungen und Berechnungen des Gehirns konzentriert, das heißt wie die "Hardware" des Gehirns, also Neuronen, Axone, Dendrite, die ganzen Verbindungen, im Verbund die Grundlagen dafür bereitstellen, Sprache verstehen und sprechen zu können. 

War das Ihr erster Besuch in Aachen? Was waren Ihre ersten und auch weiteren Eindrücke?

Das war tatsächlich mein erster Aufenthalt in Aachen, und bisher war es mir nicht bekannt, was für einen guten Ruf die RWTH Aachen in den Ingenieurwissenschaften hat, dass sie eine der führenden technischen Hochschulen in Deutschland ist. Ich kannte den ausgezeichneten Ruf des Universitätsklinikums und der medizinischen Ausbildung dort. Ich denke, dass starke Ingenieurwissenschaften bestens geeignet sind, die medizinische Forschung zu stützen und zu mitvoranzubringen – eine spannende Konstellation. Aachen selbst ist eine sehr schöne Stadt, die Menschen hier sind sehr nett und offen.

Was mein Forschungsgebiet betrifft, so kenn ich Aachen praktisch seit dem Beginn meiner Laufbahn, da hier der weltbekannte Neurologe und Hirnforscher Professor Klaus Poeck gearbeitet hat, als Leiter des Lehrstuhls für Neurologie am Aachener Universitätsklinikum. Er und sein Team haben wegweisende Forschung auf dem Gebiet der Sprache, der Aphasie und des Gehirns betrieben, und sie haben einen bedeutenden und weltweit genutzen Test entwickelt, den Aachener Aphasie-Test. So gesehen wusste ich bereits viel über Aachen, aber ich war nie dort.

Nun aber hat mich Professor Ferdinand Binofski eingeladen, ein enorm begabter Wissenschaftler, und es war mir eine große Freude, meine Zeit hier in Aachen mit ihm verbringen zu können. Er ist ein großer Gewinn für die RWTH Aachen, die Hochschule kann sich sehr glücklich schätzen, ihn in Aachen zu haben. Seine Arbeit auf dem Gebiet der Neurologie ist weltweit anerkannt, und so ist es eine große Ehre für mich, sein Gast sein zu dürfen. 

Was führte zu Ihrem Aufenthalt als Gastwissenschaftler an der RWTH Aachen?

Ich habe großen Respekt vor Professor Binkofski und seiner Forschung, und mein Interesse an seiner Arbeit ist der Hauptgrund für meinen Aufenthalt. Ich habe in der Vergangenheit bereits einmal mit ihm zusammengearbeitet, und meine Kollegin Ana Solodkin und ich haben einer eventuellen weiteren Zusammenarbeit mit Vorfreude entgegengeblickt. Die Aachener Forschungsgruppe Kognitive Neurologie ist tatsächlich sehr bekannt.

Was mich hier dann auch beeindruckt hat, ist die Jülich-Aachen Research Alliance JARA; die Zusammenarbeit zwischen der Forschergruppe Kognitive Neurologie und dem Jülicher Team der bildgebenden Verfahren ist höchst fruchtbar. Offensichtlich profitieren beide Einrichtungen davon. Wir haben uns die Einrichtungen am Forschungszentrum Jülich  zusammen mit Professor Binkofski angeschaut, so auch das MRI-Imaging-Center, und die dortigen Kolleginnen und Kollegen kennengelernt. Dort habe ich auch meinen zweiten Gastvortrag gehalten.

  Prof. Stefan Heim, Prof. Walter Huber, Prof. Ana Solodkin, Prof. Ferdinand Binkofski, Prof. Steven Small, Dr. Juliane Klann © privat Uniklinik RWTH Aachen (von links nach rechts): Prof. Stefan Heim, Prof. Walter Huber, Prof. Ana Solodkin, Prof. Ferdinand Binkofski, Prof. Steven Small, Dr. Juliane Klann

Welche sind die wichtigsten greifbaren Resultate Ihres Forschungsaufenthalts?

Ein unmittelbares Ergebnis ist zum Beispiel, dass wir eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Apraxie, also höherer motorischer Störungen, ins Auge fassen. Auf diesem Gebiet gehört Dr. Binkofski zu den weltweit führenden Forschern, er arbeitet hier mit großen neurologischen Kliniken zusammen und natürlich auch mit vielen Patienten, die an dieser Störung leiden.

Unser Ziel ist es, die Ursachen dieser Störung besser zu verstehen. Gemeinsam mit dem Aachener Team versuchen wir, mit Hilfe bildgebender Verfahren und der Modellierung von Schaltkreisen des Gehirns Apraxie besser zu verstehen.

Natürlich würden wir gerne nochmals nach Aachen kommen, insbesondere, um unsere Zusammenarbeit zu intensivieren. Es war eine tolle Erfahrung. Vielleicht werden wir uns bereits am 27. August wiedersehen, beim nächsten Treffen der Society of Neurobiology of Language in Amsterdam [deren Gründer Prof. Small ist]. Ich hoffe, Professor Binofski schaut mal bei uns vorbei.

Wie haben Sie die Interaktion mit den Studierenden und Forschenden bei Ihren beiden Vorträgen an der RWTH erlebt?

An der RWTH Aachen liegt der Schwerpunkt etwas mehr auf der formalen Linguistik, und mehrere Fakultäten arbeiten auf dem Gebiet der formalen Linguistik mit Anwendungsbezug zum Gehirn. Das ist nicht unser Ansatzpunkt – wir sind nicht der Meinung, dass formale Linguistik eine allzu große Rolle spielt für das Verständnis des Gehirns.

Viele Forscherinnen und Forscher interessieren sich für die „Hardware“ des Gehirns, die Grundlage seiner Leistungsfähigkeit. Formale Linguistik dahingegen ist sehr abstrakt. Und die Bezug zwischen dieser Abstraktion und der Hardware des Gehirns ist schwer herzustellen. In Aachen und Jülich gibt es einige herausragende Forschende, die sich für den Komplex Linguistik und Gehirn interessieren. So zum Beispiel Walter Huber, ein bekannter Linguist an der Aachener Uniklinik. Bei meinem Aufenthalt hatte ich einige anregenden Gespräche mit ihm über eben dieses Thema.     

Was würden Sie Studierenden oder Wissenschaftlern sagen, die sie fragen, ob sie zum Studium oder als Forschende an die RWTH gehen sollen?

An der RWTH Aachen ist eine der führenden Forschergruppen auf dem Gebiet der Neurologie angesiedelt. Und im Bereich der Medizinischen Fakultät gibt es eine große, interagierende Forschungsgemeinde und –umgebung. Ich denke, es ist eine gute Idee, an die RWTH Aachen zu gehen.

Gibt es noch etwas, das sie gerne erwähnen möchten?

Ja. Die geografische Lage von Aachen ist wunderbar. Ihr könnt mal eben nach Holland spazieren, mit den Kolleginnen und Kollegen in Maastricht zusammenarbeiten, abends in Belgien essen gehen …

Professor Small, herzlichen Dank für das interessante Gespräch!