Glückauf in der Tiefsee
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Die Tiefsee ist ein riesiges Rohstofflager. Ob Metalle der Seltenen Erden, Kupfer, Kobalt oder Nickel: Der Meeresboden ist reich an Bodenschätzen, die beispielsweise zur Produktion von Smartphones, Computern oder medizinischen Hightech-Geräten benötigt werden. Expertenteams aus 19 europäischen Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen kooperieren daher im Forschungsprojekt „Blue Mining“, um Wege für einen kosteneffizienten und umweltfreundlichen Bergbau unter Wasser zu finden. Partner sind hierbei das Geologische Institut und das Institut für Bergbaukunde I der RWTH Aachen. Sie bringen ihr Wissen unter anderem in den Themengebieten Explorationsmethoden, Lagerstättenmodellierung, Abbaumethoden sowie Georessourcenmanagement und Wirtschaftlichkeitsanalysen in das Projekt ein. Es wird mit 15 Millionen Euro im Rahmen des 7. Rahmenprogramms der Europäischen Union gefördert.
Deutschland besitzt Lizenz für Tiefsee-Claim
Im wissenschaftlichen Fokus stehen vor allem zwei marine Erztypen: Manganknollen, die wie Kartoffeln auf dem Meeresboden liegen. Sie sind reich an Mangan, aber auch an Kupfer, Eisen, Nickel, Titan und Kobalt. Forschungsobjekte sind außerdem Massivsulfide, metallhaltige Schwefelverbindungen, die unter anderem Zink-, Gold- und Kupferanteile haben. „Aufgrund der weltweit gestiegenen Rohstoffnachfrage suchen die Industrienationen neue Lagerstätten“, erläutert RWTH-Professor Per Nicolai Martens, Leiter des Instituts für Bergbaukunde I. Fündig wurden Forscher unter anderem im Pazifischen Ozean. Im internationalen Territorium zwischen Mexiko und Hawaii werden riesige Rohstoff-Vorkommen in der so genannten Clarion Clipperton Zone (CCZ) vermutet. Eine UN-Behörde namens International Seabed Authority, kurz ISA, ist für diese Meeresregionen verantwortlich. Zu ihren Aufgaben gehört es, interessierten Nationen „Tiefsee-Claims“ zuzuweisen. Auch Deutschland besitzt dort seit dem Jahr 2006 neben anderen Staaten die Lizenz für ein potenzielles Abbaugebiet.
Doch der maritime Bergbau steckt in den Kinderschuhen. Bisher hat noch keine Nation im internationalen Territorium mit dem Abbau begonnen. Hierfür gibt es viele Gründe: „Zum Beispiel ist noch weitgehend unbekannt, wie die Manganknollen zusammengesetzt und verteilt sind - und das auf einer Fläche so groß wie die Vereinigten Staaten in 5.000 Meter Tiefe“, erläutert Professor Peter Kukla vom Geologischen Institut der RWTH. „Zudem ist die Fördertechnik eine große Herausforderung, ebenso der Umweltschutz.“
Aachener erstellen Lagerstättenmodelle und Wirtschaftlichkeitsanalysen
Das Projekt „Blue Mining“ stellt sich in verschiedenen Arbeitspaketen einer Reihe dieser Herausforderungen. Die RWTH-Teams sind unter anderem für das Erstellen zweier Lagerstättenmodelle zuständig. „Tiefseebohrungen sind aufwändig und teuer“, berichtet Peter Kukla. Aus diesem Grund werden von einem Kilogramm Probe Rückschlüsse auf zehntausende Tonnen Lagerstätte gezogen. Für die Manganknollen-Ernte wird ein zweidimensionales Modell benötigt, das die Meeresbodenoberfläche sowie die Verteilung der Knollen im Meeresgebiet zeigt. „Beim Lagerstättenmodell für die Massivsulfide, die sich auch unter dem Meeresboden befinden, erstellen wir mittels Computersimulation ein dreidimensionales Lagerstättenmodell“, so der Geologe. „In diese Berechnungen fließen viele Aspekte wie Bohrergebnisse, geophysikalische, geochemische und mineralogische Untersuchungen ein.“
Prüfung der Wirtschaftlichkeit
Zudem werden in Aachen sämtliche Daten zusammengetragen, die für die Berechnungen der Wirtschaftlichkeit beider Lagerstättentypen relevant sind. Dazu gehören die Kosten für die Produktion der Fördertürme und -geräte, für Personal, Probebohrungen, Umweltmanagement und vieles mehr. „Unsere Aufgabe ist, sowohl für den Abbau der Manganknollen als auch der Massivsulfide eine Wirtschaftlichkeitsstudie zu erstellen“, berichtet Per Nicolai Martens. „In letzter Konsequenz geht es darum, ob die Kosten für die Gewinnung und Aufbereitung unter dem zu erzielenden Marktpreis liegen werden. Nur dann werden sich Investoren für Großprojekte dieser Art finden lassen.“
Die Ergebnisse der RWTH fließen wiederum in eine mehrere hundert Seiten starke Machbarkeitsstudie ein, die das Forschungskonsortium „Blue Mining“ innerhalb der nächsten vier Jahre ausarbeiten wird. „Diese Machbarkeitsstudie, die unter anderem auch Risikoabschätzungen beinhaltet, wird internationalen Vorzeigecharakter haben“, erläutert Dr. Ludger Rattmann, Leiter des Blue-Mining-Teilprojektes „Nachhaltiges Lagerstättenmanagement“. Denn die ISA setzt eben solche für jedes der lizenzierten Tiefsee-Claims voraus, bevor sie in Zukunft Abbaugenehmigungen erteilen wird. Bis es dazu kommt, werden allerdings noch einige Jahre vergehen. „Hintergrund ist, dass nicht nur die Machbarkeitsstudien fehlen, sondern es auch noch kein maritimes internationales Bergrecht für die Rohstoffgewinnung gibt“, berichtet Ludger Rattmann. Die ISA arbeitet derzeit an den gesetzlichen Grundlagen.
Ilse Trautwein