RWTH-Alumni über den Dächern von Köln – Oder: der Dom, die ewige Baustelle

11.03.2020
 

Es ist windig am Freitag, den 28. Februar 2020. Aber nicht windig genug, dass wir nicht den kastigen Bauaufzug an der Außenfassade des Kölner Doms benutzen können, um die erste Station unserer Dombesichtigung zu erreichen.

Das Geräusch, das der Aufzug macht ist zwar beunruhigend, aber je höher wir kommen, desto mehr kann man es durch die Aussicht ignorieren: die Menschen auf der Domplatte wie Ameisen, die Züge auf den Gleisen des Hauptbahnhofes wie bei einer Modelleisenbahn. Nach einigen Minuten Fahrt sind wir auf 45 Metern Höhe über dem Boden auf der Gerüstbrücke am Dach angekommen.

Wir, das sind 15 Alumni der RWTH Aachen und Alumnus Dr. Thomas Schumacher, Ingenieur der Dombauhütte, der uns eingeladen hat, den Dom von außen und innen besonders in Hinblick auf Baugeschichte, Architektur und Restaurierung zu begehen.

Auf der Gerüstbrücke bekommen wir einen ersten Einblick über die verschiedenen Bauepochen der Kathedrale sowie auch des Wiederaufbaus und der Instandhaltung – je nach Jahrhundert und Jahrzehnt erkennt man unterschiedliche Gesteinsarten, die für die Restaurierung einzelner Elemente genutzt werden, unter anderem Trachyt vom Drachenfels, Basaltlava, Sandstein aus Württemberg oder aus Bozanov,Tschechien, der aktuell verwendet wird. Die Entscheidung dafür traf und trifft man vor allem dadurch, welche Gesteinsart dem Original am nächsten kommt; aber auch Verträglichkeit oder (geo)politische Faktoren spielen eine Rolle.

Auch im Stil sieht man die Selbstverwirklichung der jeweiligen Bildhauer. Sogar der Aufenthaltsraum und die Toilette für die Arbeiter unter dem Dachstuhl des Langhauses wurden in den Achtziger Jahren den „öffentlichen Bedürfnisanstalten“ aus dem Berlin des 19. Jahrhunderts nachempfunden, da der damalige Leitende Architekt der Dombauhütte in Berlin studiert hatte.

Im Dachstuhl bewundern wir die Stahlkonstruktion aus dem Jahre 1859/60, die im Vergleich zu einem Dach aus Holz einige Vorteile, vor allem aber, so argumentierte man damals, einen höheren Brandschutz, mit sich brachte.

Dr. Schumacher, der Maschinenbau studiert und in Architektur über den Kölner Dom promoviert hat, gibt uns hier unter dem gigantischen Kirchendach einen Exkurs in die Stahlproduktion (Puddeleisen, Fluß- und Schweißeisen) und Gewölbestatik (Zugspannung versus Druckspannung). Diese Interdisziplinarität des gesamten Bauwerks ist an jeder Station begreifbar, und so widmen wir uns nun in der Modellkammer eher der Kunsthistorik und handwerklichen Traditionen. Sie befindet sich im zweiten Obergeschoss des Nordturmes und beinhaltet die Sammlung der Modelle von Figuren, Statuen, Wasserspeiern oder Fassadenelementen. Rund 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus verschiedenen Gewerken arbeiten für die Dombauhütte an der Instandhaltung – Steinmetzen, Bildhauer, Dachdecker, Schreiner und Maler sowie Gerüstbauer.

Einer der Höhepunkte im buchstäblichen Sinne ist unser Aufstieg auf den Vierungsturm. Auf der Plattform in circa 70 Metern Höhe ist die Aussicht und der Wind atemberaubend. Der Turm befindet sich über der Kreuzung aus Quer- und Längsschiff. Wir haben einen Rundumblick über Köln, den Rhein und natürlich auf die beiden Haupttürme und die Dächer des Domes.

Nachdem wir die enge Wendeltreppe wieder hinabgestiegen sind, erreichen wir das Triforium, einen Gang in 20 Meter Höhe, der einmal um den ganzen Innenraum der Kathedrale führt. Das Richter-Fenster aus dem Jahre 2007, bekannt für seine zufällig angeordneten Farbquadrate, strahlt ein buntes Licht in den Innenraum, als wir vor ihm stehen.

Es ist klar: eine fotografische Aufnahme wird dieses farbige Leuchten nicht authentisch genug wiedergeben. Also schrauben wir uns ein letztes Mal eine Treppe hinunter und kommen nach zweieinhalb hochinformativen Stunden wieder auf der Domplatte an.

Beim anschließendem Kölsch, „halven Hahn“ und „kölsche Kaviar“ sind wir uns einig: es war ein ganz besonderes Alumni-Treffen, vielen Dank, Herr Dr. Schumacher!