Alexander Moreira-Almeida
Forschungs-aufenthalt an der RWTH Aachen | Gastprofessor und Kármán Fellow im ERS International-Programm, August und September 2013 |
Informationen über unseren Forscher-Alumnus |
Alexander Moreira-Almeida ist Professor an der medizinischen Fakultät der Universidade Federale de Juiz de Fora (UFJF) und Gründer des dortigen Research Center in Spirituality and Health (NUPES). Im September 2013 kam er als Kármán Fellow für einen dreiwöchigen Aufenthalt an die RWTH Aachen, wo er insbesondere mit Frau Professorin Ute Habel von der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik zusammenarbeitete. Sein Aufenthalt diente insbesondere der Etablierung und Vertiefung gemeinsamer Forschungsprojekte von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der UFJF und der RWTH Aachen. Die Zusammenarbeit geht auf eine Initiative von Dr. Alessandra Ghinato Mainieria zurück, die zu dieser Zeit als Doktorandin an der Uniklinik Aachen forschte. Ein erster Schwerpunkt der Zusammenarbeit ist die Erforschung des Zusammenhangs zwischen Spiritualität/Religiosität und Gesundheit unter Einbeziehung der bildgebenden Neurowissenschaften. Im weiteren Sinn sucht die Kooperation, unser Verständnis des Zusammenhangs zwischen Gehirn, Geist und Psyche zu erweitern. Im folgenden Interview erläutert Professor Moreira-Almeida die Ziele der Kooperation und schildert Eindrücke seines Aufenthalts in Aachen. |
Professor Moreira-Almeda, könnten Sie uns Ihren Forschungsschwerpunkt und seine generelle Bedeutung kurz umreißen?
Ich untersuche den Zusammenhang zwischen Spiritualität/Religiosität und Gesundheit. Einer unserer Schwerpunkte liegt auf epidemologischen Studien, die die Auswirkung religiöser Eingebundenheit auf die Gesundheit untersuchen. Ein anderer liegt auf der multidimensionalen Erforschung spiritueller Erfahrungen (wie zum Beispiel Trance, Besessenheit, Nahtoderlebnisse); hier wollen wir insbesondere nähere Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Gehirn und Geist gewinnen.
Des Weiteren versuchen wir herauszufinden, wie man zwischen gesundheitsrelevanten spirituellen Erfahrungen, die Ähnlichkeiten zu psychotischen bzw. dissoziativen Störungen aufweisen, und psychotischen bzw. dissoziativen Störungen, die spirituellen Erfahrungen ähneln, unterscheiden kann. Das erforschen wir unter anderem mit Hilfe bildgebender Verfahren, psychiatrischer Interviews und neuropsychologischer Testverfahren.
Wir halten es für wichtig, Spiritualität und Religiosität näher zu erforschen, da es sich um zentrale Erfahrungsbereiche für einen großen Teil der Weltbevölkerung handelt, die sich nachweislich auf die Gesundheit auswirken und uns dabei helfen können, den menschlichen Geist, d.h. Kognition und Psyche, und die Natur des Menschen besser zu verstehen. Dieses Forschungsgebiet wurde im 20. Jahrhundert weitgehend vernachlässigt, erlebt aber in den letzten 20 Jahren einen ganz enormen Aufschwung.
Wie kam es zu ihrem Aufenthalt als Theodore von Kármán Fellow an der RWTH Aachen?
Bei einer Konferenz in Deutschland trafen mein Kollege Dr. Julio Peres und ich Dr. Allesandra Mainieri, eine brasilianische Forscherin, die zu dieser Zeit ihre Doktorarbeit auf dem Gebiet des Neuroimaging an der RWTH Aachen verfasste. Dort diskutierten wir die Möglichkeit, gemeinsam spirituelle Erfahrungen mit Hilfe neurowissenschaftlicher bildgebender Verfahren zu untersuchen.
Darauf basierend entwickelte sich unsere Forschungskooperation mit Dr. Mainierei und Frau Professorin Ute Habel, der leitenden Psychologin an der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik an der Uniklinik Aachen.
Während unserer gemeinsamen Arbeit erfuhr ich dann von der Theodore von Kármán Fellowship, woraufhin wir uns bewarben und glücklicherweise die Möglichkeit bekamen, unsere Forschungsaufenthalte in Angriff zu nehmen: Ich kam als Gastwissenschaftler an die RWTH, und Prof. Habel besuchte meine Heimatuniversität, die Universidade Federal de Juiz de Fora, kurz UFJF.
Wenn Sie auf Ihren dreiwöchigen Aufenthalt an der RWTH Aachen zurückblicken, welche Erfahrung war für Sie die lohnendste?
Meine Zeit an der RWTH war intensiv und produktiv. Ich hielt zwei Gastvorträge, leitete zwei Workshops und besuchte die JARA Brain-Sektion am Forschungszentrum Jülich sowie die CAVE, eine Kammer für Virtuelle Realität und Visualisierung, die unter anderem für Zwecke akustischer Wahrnehmungsforschung genutzt wird.
Des Weiteren traf ich zahlreiche hiesige Forschende und hatte viele Treffen, bei denen wir gemeinsame Publikationen und Förderanträge vorbereitet oder Daten gemeinsamer Projekte ausgewertet haben.
Am wichtigsten war für mich der Austausch mit unseren Kolleginnen und Kollegen an der RWTH, unsere Freundschaft zu vertiefen und die Partnerschaft weiter auszubauen. Es war für mich und Familie natürlich auch ein schönes Erlebnis, eine Weile in Deutschland zu leben und gewissermaßen in die deutsche Kultur eintauchen zu können.
Welche sind die wichtigsten greifbaren Resultate Ihres Forschungsaufenthalts? Was planen Sie für die Zukunft?
Wir haben an einer von Dr. Peres und Prof. Habel geleiteten neurowissenschaftlichen Studie teilgenommen und spirituelle Medien aus Brasilien mit Hilfe bildgebender Verfahren hier in Aachen untersucht.
Dank eines Grants von „Science without Borders” (CAPES-Brazil), der eine dreijährige Postdoctoral Fellowship für Dr. Mainieri an der UFJF umfasst, können wir die gemeinsame Forschung zu spirituellen Erfahrungen fortführen.
An der UFJF werden wir mit dem Wissen von Dr. Mainieri und der Unterstützung von Professorin Habel und weiteren Kolleginnen und Kollegen ein Functional-Neuroimaging-Labor einrichten.
War dies ihr erster Besuch in Aachen? Was waren ihre Eindrücke?
Nein, ich war bereits zuvor in Aachen, um die Möglichkeiten einer eventuellen Forschungspartnerschaft zu sondieren. Ich war von den Forschenden sowie der Infrastruktur in den bildgebenden Neurowissenschaften an der RWTH sehr beeindruckt. Meine Familie und ich – meine Frau ist Historikerin – fanden die historischen Aspekte der Stadt sehr reizvoll. Was uns besonders berührt hat, war die Freundschaft und Herzlichkeit von Frau Professorin Habel und ihrer Familie.
Gibt es Ihrer Meinung etwas, das man an deutschen Universitäten von Hochschulen in Brasilien lernen kann und umgekehrt? Wir haben Sie die Studierenden hier in Aachen empfunden?
Die Gruppe an der RWTH Aachen hat große Expertise in den bildgebenden Neurowissenschaften und der Erforschung psychotischer Störungen, wohingegen der Schwerpunkt unserer Gruppe an der UFJF auf dem Gebiet der spirituellen Erfahrung und in der Erforschung der Auswirkung religiöser Eingebundenheit auf die Gesundheit liegt.
Unsere Partnerschaft dient somit dem wechselseitigen Austausch, um die interdisziplinäre Forschung auf unseren Gebieten voranzubringen.
Die Studierenden hier in Aachen waren sehr interessiert und engagiert. Ich halte es für außerordentlich wichtig, unsere anspruchsvollen Themen einem kulturell diversen und wissenschaftlich breit aufgestellten Publikum vorzustellen, da sich mir so neue Perspektiven und auch Einsichten eröffnen. Dies ist für ein breites, besseres Verständnis von Spiritualität, Geist und Psyche sehr hilfreich.
Das Thema “Kulturelle Einflüsse auf Spiritualität und Religiosität” basiert auf interdisziplinärer Kooperation. Ist es wichtig, dass sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vernetzen? Was halten Sie von Alumni-Netzwerken?
Vernetzung ist von zentraler Bedeutung. Insbesondere in meinen Schwerpunktgebieten – der Verbindung zwischen Spiritualität und Gesundheit, dem Zusammenhang zwischen Gehirn und Geist – ist es nicht möglich, Wissen zu generieren, ohne die Forschung in Medizin, Psychologie, Physiologie, Neurowissenschaften, Epidemiologie, Philosophie, Soziologie, Geschichte, usw. einzubeziehen.
Wir sind sehr glücklich darüber, mit Expertinnen und Experten in all diesen Disziplinen zusammenarbeiten zu können. Die Theodore-von-Kármán-Fellowship hat uns interkulturelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglicht und sich somit als äußerst wertvoll erwiesen.