Die Produktion wird flexibel und vernetzt

13.06.2017

Die Produktionstechnologinnen und -technologen der RWTH wollen Innovationen schneller aus der Entwicklung in die industrielle Praxis überführen.

  Personen hinter einem Roboterarm Urheberrecht: © Peter Winandy Ein Fertigungsroboter im Manfred-Weck-Haus kann nach einer Teaching-Phase selbstständig Bauteile bestücken – hier überreicht er ausnahmsweise Blumen an sein Betreuungsteam.

Der Begriff Industrie 4.0 steht für eine neue Ära der Fertigung, bei der selbstoptimierende und vernetzte Produktionsmaschinen im Einsatz sind: Bauteile wie Walzen oder Motoren kommunizieren eigenständig mit der Produktionsanlage. Bei Bedarf veranlassen sie selbst eine Reparatur. Fahrerlose Transportfahrzeuge an Fertigungsstraßen erkennen, welche Teile für die Produktion gebraucht werden. Sie holen diese aus dem Lager und liefern das Material an.

Die vierte industrielle Revolution vernetzt intelligent Menschen, Maschinen und industrielle Prozesse. Sie ermöglicht die Herstellung maßgeschneiderter Produkte nach Kundenwünschen mit innovativen Anlagen. „Unternehmen mit dem Ziel, im hart umkämpften Wettbewerb auf globalen Märkten zu bestehen, müssen sich Gedanken machen, welche Rolle sie in der Industrie 4.0 spielen wollen“, betont Professor Fritz Klocke, Mitglied des Direktoriums des Werkzeugmaschinenlabors WZL. Er ist Sprecher des Profilbereichs „Production Engineering“ und koordiniert in dieser Funktion Aktivitäten der RWTH zum Thema Industrie 4.0.

Im Profilbereich – etabliert im Rahmen der Exzellenzinitiative – entwickeln wissenschaftliche Teams innovative Fertigungsverfahren, Produktionsanlagen und entsprechende Messtechnik. Das schließt die Vernetzung sämtlicher Systembestandteile ein. Die Demonstration erfolgt mit Pilot-Produktionen am Standort Aachen, um die Anwendungen begleiten zu können. „Produkt- und Technologieinnovationen, zukunftsfähige Geschäftsmodelle und Produktionskonzepte können so schneller in die industrielle Praxis überführt werden“, erläutert Klocke. Damit lasse sich der Marktvorsprung deutscher Unternehmen kontinuierlich ausbauen.

Turbomaschinen und Bauen von morgen

Die Projekthäuser „Turbomachinery Manufacturing“ und „Produktion für das Bauen von morgen“ wurden als unterstützende und ebenfalls exzellenzgeförderte Instrumente im Bereich Produktionstechnik eingerichtet. So soll am Beispiel der Turbomaschine das Leitbild der vernetzten adaptiven Produktion umgesetzt werden. Werkstoffe, Strukturmechanik, Aerodynamik, Fertigung und Betriebsverhalten werden in einem interdisziplinären Verbund vereint. Die Produktion von zuverlässigen und leistungsstarken Turbomaschinen stellt höchste Ansprüche an die Fertigungstechnik. Turbomaschinen sind Schlüsseltechnologien der modernen industriellen Gesellschaft, zu denen Strahltriebwerke von Großflugzeugen, Abgasturbolader für CO2-arme Automobile oder Dampfturbinen zur Stromerzeugung gehören.

Das Projekthaus arbeitet eng mit der Turbomaschinenindustrie zusammen, so wird das ambitionierte europäische Forschungsprogramm Clean Sky 2 in Aachen mitgestaltet. Vor allem das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT und das WZL sind in die Entwicklung eines emissionsarmen Flugtriebwerkes involviert. Zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT und dem Lehrstuhl für Lasertechnik LLT starteten diese Institute das International Center for Turbomachinery Manufacturing – ICTM. Gemeinsam mit 27 Industriepartnern wird hier die Reparatur und Herstellung von Turbomaschinen erforscht.

Ansätze zur Planung, Produktion, Betrieb und Recycling von nachhaltigen Gebäuden sind Schwerpunkte des Projekthauses „Produktion für das Bauen von morgen“. Auf Basis der wissenschaftlichen Kernkompetenzen der RWTH wird ein interdisziplinärer Verbund in diesem Forschungsfeld geschaffen. Im Fokus stehen die Industrialisierung der Bauproduktion durch Produktstandardisierung, die Intensivierung der Vorfertigung auf Basis von verbesserten Produktionsprozessen und Fertigungstechnologien. Zu den weiteren Themen gehören nachhaltiges Recyceln von Baustoffen, Bauteilen und Bauwerken. Durch Steigerung der Energie- und Materialeffizienz der Bauproduktion sollen der Klimaschutz gestärkt und Ressourcen geschont werden.

Internet of Production

Zukunftsthema der Aachener Produktionstechnik sind weitere interdisziplinäre Großforschungsprogramme wie das Internet of Production. Es beschreibt eine echtzeitfähige, sichere Informationsverfügbarkeit zu jeder Zeit an jedem Ort. Die Summe der generierten Daten wird zum volumenstarken digitalen „Schatten“ der Produktion. „Dadurch ist eine präzise und kontinuierliche Datenanalyse gewährleistet. Digitale Muster können erkannt werden, die als Prognoseinstrument Entscheidungen bezüglich der Produktion unterstützen können“, so Fritz Klocke.

So stand auch das 29. Aachener Werkzeugmaschinen-Kolloquium – kurz AWK – im Mai im Zeichen des Internet of Production. Besetzt mit einem hochkarätigen Plenum, wurden mehr als 1.000 namhaften Vertreterinnen und Vertretern aus Industrie, Wissenschaft und Politik Informationen zu Trends und Innovationen der Industrie 4.0 unter dem Leitthema „Internet of Production für agile Unternehmen“ geboten. Das AWK bot zugleich den adäquaten Rahmen für die Bekanntgabe des Empfängers des Aachener Ingenieurpreises 2017: Mit Professor Manfred Weck wird den Preis im September einer der ehemaligen Direktoren des WZL erhalten, bis 2003 leitete Weck den Lehrstuhl für Werkzeugmaschinen.

Redaktion: Presse und Kommunikation