Professor Andreas Barner

 

Präsident des Stifterverbandes

Sollten wir nach der Pandemie wieder zu vollständigen Live-Kursen zurückkehren, weiterhin reine Online-Lehre anbieten, oder hybride Lehrangebote machen?

Die Antwort liegt nicht im Entweder-Oder, sondern im Sowohl-als-Auch. Weder Gewohnheit noch Grundsatzüberzeugungen sollten uns hier leiten, sondern die schlichte Frage, welche Ziele wir mit welchen Formaten am besten erreichen können.

Welche Lehrformate würden Sie sich online wünschen, welche im persönlichen Umfeld?

Große Vorlesungen mit wenig Interaktion lassen sich wahrscheinlich sehr gut ins Digitale übertragen. Auch Konzepte für einen „international classroom“ könnten digital ganz neu gedacht und effizient umgesetzt werden. Für alles, was in das „Sokratische“ geht, also in den inspirierenden, suchenden und offenen Dialog, scheint mir die physische persönliche Begegnung unerlässlich.

(Wie) Kann man Lehre gemeinsam mit Firmen organisieren? Ist das anzustreben?

Nehmen Sie so ein ganz neues Thema wie die Quantentechnologie: Da lässt sich Forschung, Anwendung und Lehre kaum noch ohne Beteiligung von Unternehmen denken. Und es gibt immer mehr Beispiele, wo das Wissen der Unternehmen auch produktiv für die akademische Lehre genutzt werden könnte.

Braucht man in zehn Jahren noch Dozierende oder reicht eine KI/Roboter, um die Lehre zu halten?

Dozierende werden wir immer brauchen. Aber KI kann beim Lehren und Lernen unterstützen, da Lernprozesse viel besser analysiert werden können. Wenn wir ehrlich sind, wissen wir noch viel zu wenig darüber, was im Menschen beim Lernen passiert. Hier könnten Algorithmen zukünftig helfen.

Ihre Vision: Wie sollte das Nachfolgemodell einer traditionellen Vorlesung aussehen, das Forschen und „Machen“ integriert (ganz gleich, ob in Präsenz oder online)?

Theorie lässt sich auch vermitteln, wenn man aus realen Herausforderungen ableitet. Wir erleben immer mehr Ansätze von Case-based oder challenge-based Lernsettings, die sich auch für Vorlesungen gut eignen.

Aus Industrie und Gesellschaft kommen eine Reihe von Forderungen, was die Universitäten künftig in ihren Curricula unterbringen sollen. Wenn das Studium nicht verlängert werden soll, muss man auch fragen, was wir denn künftig nicht mehr benötigen. Haben Sie dazu Vorschläge?

Es ist ja nicht so, dass Curricula statisch sind. Neue Erkenntnisse ändern auch Lernpläne. Wenn in der digitalen Arbeitswelt neue Kompetenzen gebraucht werden, muss das auch in das akademische Lernen einfließen. Alles andere würde ja auch nicht zur Institution Universität passen, die per se immer nach dem Neuen sucht.

Wie können Universitäten besser in der Lehre von Transdisziplinarität werden und wie können sie Studenten dabei helfen, ihre Denkweise in Transdisziplinarität zu verbessern?

Unsere gesellschaftlichen Herausforderungen und Transformationsprozesse folgen keiner disziplinären Logik. Trotzdem brauchen wir tiefes disziplinäres Wissen. Auch hier empfehle ich, dass eine mit dem anderen klug zu koppeln, wie es etwa beim challange-based-learning schon didaktisch entwickelt wird. Zudem könnte man gerade im forschungsorientierten Master-Bereich viel mehr transdisziplinäre Curricula wagen, denn die Forschung arbeitet ja auch schon vielfach so.

Zitat von Professor Anant Agarwal (edX): „Es macht immer wieder Spaß, davon zu träumen, wie die Zukunft an den Universitäten aussehen könnte. Am wichtigsten ist die Frage: Was sind die idealen Einrichtungen für die Lernenden?“ Was meinen Sie dazu?

Interessant ist ja, dass zum Beispiel das Bachelor- und Master-Studium in den angelsächsischen Ländern ganz anders gedacht und strukturiert ist als bei uns. Gibt es eigentlich einen Vergleich über die „Output“ beider Systeme?

Professor Lynda Gratton (London Business School) stellte beim Wissenschaftsabend eine ganz zentrale Frage in den Raum: „Wie entwickeln wir Lernumgebungen, die es kreativen Menschen ermöglichen, auf andere zu stoßen, die sich noch nie begegnet sind?“

Das ist eine spannende Frage auch für das große Thema „Lernarchitekturen“, wo man ganzheitlich Räume und Formate neu denken kann, die das Beste aus den physischen und den digitalen Welten zusammenführen.

Welche weitere Frage aus dem Themenkomplex „Universitäre Lehre“ würden Sie gerne mit Fachkolleginnen und Fachkollegen diskutieren?

Was können wir tun, damit mehr Professoren und Professorinnen die gleiche Begeisterung für die Lehre finden wie für ihre Forschung. Und: Forschung organisiert sich zunehmend in Teams und kluger Arbeitsteilung. Wie sähe ein solches Modell für die Lehre aus?

Vielen Dank, Herr Professor Barner, dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben.