Deutsche Professoren analysieren UBER-Unfall

29.03.2018

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Professoren von RWTH Aachen, TU München, Universität Ulm, TU Braunschweig, Karlsruher Institut für Technologie und TU Darmstadt äußern sich zu dem Unfall des autonomen Fahrzeugs in den USA.

 

Ein Testfahrzeug von UBER erfasst und tötet nachts eine Fußgängerin – weder das automatisch fahrende Fahrzeug noch die Sicherheitsfahrerin haben reagiert. Auch wenn in diesem Testfahrzeug eine Sicherheitsfahrerin saß, hat mit diesem traurigen Vorfall zum ersten Mal ein automatisch fahrendes Auto einen Menschen getötet. Naturgemäß kommen damit viele Fragen nach dem Sinn und der Verantwortbarkeit der Fahrzeugautomatisierung in der öffentlichen Diskussion auf. Auch Professoren deutscher Universitäten, die seit vielen Jahren zum autonomen Fahren forschen und sich im Uni-DAS e.V. zusammengeschlossen haben, haben den Unfall analysiert.

  • Professor Klaus Bengler von der TU München
  • Professor Klaus Dietmayer von der Universität Ulm
  • Professor Lutz Eckstein von der RWTH Aachen
  • Professor Markus Maurer von der TU Braunschweig
  • Professor Christoph Stiller vom Karlsruher Institut für Technologie, KIT
  • Professor Hermann Winner von der TU Darmstadt

Einige Tage nach dem spektakulären Unfall mit Todesfolge des UBER-Fahrzeuges wurde ein Video einer Außen- und Innenkamera des Unfalls veröffentlicht. Hierin wird deutlich, dass das Fahrzeug weder gebremst noch den Ansatz eines Ausweichmanövers versucht hat, wie es bereits die Polizei vermeldet hatte. Es ist mit 40 Meilen pro Stunde in einem Bereich gefahren, in dem nur 35 Meilen pro Stunde erlaubt waren, völlig ungebremst in die Fußgängerin gefahren, da auch die Sicherheitsfahrerin keine Reaktion zeigte.

Der Betrieb des automatisierten Fahrzeugs von UBER ist im vorliegenden Fall als Automatisierung nach Stufe 2 einzuschätzen, auch wenn höhere Stufen der Automatisierung getestet wurden. Dies bedeutet, dass die in diesem Fahrzeug sitzende Sicherheitsfahrerin ständig alle Funktionen des Fahrzeugs überwachen und im Zweifelsfall eingreifen musste. Warum sie dies nicht getan hat und ständig den Blick von der Straße abgewandt hat, ist aufgrund des Videos allein nicht zu beurteilen. Auch kann aufgrund der recht geringen Qualität des Videos nicht beurteilt werden, was die Sicherheitsfahrerin bei aufmerksamen Verhalten hätte sehen können. Somit ist im Verlauf der Ermittlungen zu klären, warum die Sicherheitsfahrerin weder reagiert noch die überhöhte Geschwindigkeit des Fahrzeugs korrigiert hat. Während der detaillierten Analyse des Unfalls durch die Behörden muss außerdem die Frage geklärt werden, wie Sicherheitsfahrer durch UBER ausgebildet werden und ob das Sicherheitskonzept des Versuchsbetriebs ausreichend war.

Unfall schwer nachvollziehbar

Auch gemessen am aktuellen Stand der Technik ist der Unfallhergang schwer nachvollziehbar. Das automatisierte Fahrzeug von UBER war sowohl mit Lidar-, Radar- als auch Kamerasensoren ausgestattet. Auch wenn Kamerasensoren in der Dunkelheit eine eingeschränkte Wahrnehmungsleistung haben, so ist die Fußgängerin im Kamerabild bereits über eine Sekunde vor der Kollision deutlich sichtbar. Lidar- und Radarsensoren sind sogar aktive Sensoren, das heißt sie senden aktiv Laserpulse im Infrarotbereich beziehungsweise Radarstrahlung aus und messen aufgrund von Reflektionen die Entfernung zu Objekten, deren Relativgeschwindigkeit und deren Größe. Diese Sensorprinzipien funktionieren also gerade auch bei Dunkelheit uneingeschränkt. Eine bereits heute in vielen Serienfahrzeugen verfügbare Notbremsfunktion, die mit ebendiesen Sensoren funktioniert, hätte zumindest den Fahrer gewarnt und das Fahrzeug gebremst – und dadurch die Kollision gemindert oder möglicherweise sogar vermieden.

Rückschlag für automatisiertes Fahren

Der Unfall selbst wird aktuell als Rückschlag für automatisiertes Fahren wahrgenommen. Tödliche Kollisionen mit verletzlichen Verkehrsteilnehmern wie Fußgängern und Zweiradfahrern sind aber auch im nicht automatischen Verkehr in Deutschland keine Seltenheit – circa 50 Prozent der Getöteten im Straßenverkehr gehören zu dieser Gruppe, die insbesondere bei Dunkelheit schlecht wahrnehmbar ist. Man muss ferner betonen, dass keine Technik, weder bestehende noch zukünftige Systeme, eine 100 Prozent Sicherheit bieten wird. Dies gilt leider auch im Bereich der Mobilität und wird anhand der Zahl der Verletzten und Getöteten im Straßenverkehr, Bahnverkehr aber auch Flugverkehr dokumentiert.

Auch wenn die Simulation bei der Entwicklung und Absicherung von automatisierten Fahrfunktionen eine ganz wesentliche Rolle spielt, werden auch weiterhin Erprobungen des automatisierten Fahrens auf öffentlichen Straßen notwendig sein, da die Komplexität realer Verkehrssituationen weder in Simulationen noch auf Testgeländen komplett abbildbar ist.

Akzeptanz der Gesellschaft für die Technologie nicht mindern

Mittel bis langfristig wird erwartet, dass sorgfältig entwickelte und abgesicherte automatisierte Fahrzeuge dazu führen, dass die Unfallzahlen gegenüber dem heutigen Stand sinken. Deshalb hoffen die Autoren, dass dieser bedauernswerte Unfall nicht dazu führt, die Akzeptanz der Gesellschaft für die Technologie zu vermindern. Für den sicheren Weg dorthin bedarf es aber auch einer realistischeren Einschätzung der heutigen Möglichkeiten, technischen und technologischen Grenzen sowie robuster Absicherungsprozesse.

Insbesondere Start-Ups in den USA stehen scheinbar, auch durch den Wettlauf um Finanzinvestoren, unter so großem Erfolgszwang, dass sie im Zweifelsfall eher zu früh im öffentlichen Straßenverkehr testen und sich präsentieren. Solange sich Unternehmen in Ankündigungen gegenseitig überbieten, wer am schnellsten den Milliardenmarkt mit fahrerlosen Robotertaxis erschließt, birgt dies durch den Druck auch zunehmende Risiken voreiliger Straßentests.