Panels

 

In den vier Panels wurden die Themen „Wissenschaft (in) der Pandemie – wie Hochschulen die Gesellschaft verändern“ sowie „Forschung und Lehre (in) der Pandemie – wie sich Hochschule und Wissenschaft bewähren müssen“ diskutiert, es wurde die zentrale Rolle der Wissenschaft bei der Bewältigung der Pandemie hinterfragt und ein Ausblick gegeben.

 

„Wissenschaft (in) der Pandemie – wie Hochschulen die Gesellschaft verändern“

 
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Wissenschaft (in) der Pandemie – wie Hochschulen die Gesellschaft verändern
 

Der Impact der Wissenschaft auf die Gesellschaft war offenkundig: in absoluter Rekordzeit wurde der notwendige Impfstoff entwickelt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler standen aber schon vorher im Fokus: Als Beraterinnen und Berater der Politik, als Expertinnen und Experten in den Massenmedien. Professor Gernot Marx, Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care an der Uniklinik RWTH Aachen und Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung der Intensiv- und Notfallmediziner, war ein gefragter Ansprechpartner. Er wäre dies gerne schon vorher und unabhängig von der Pandemie im Sinne seiner Disziplin gewesen. „Wir haben seit Jahres für Wahrnehmung der Intensivmedizin geworben.“

Eine zentrale Erkenntnis der vergangenen anderthalb Jahre ist für Marx vor allem im Hinblick auf die Kommunikation: „Wir müssen einfach noch besser werden. Der Transfer der Wissenschaft muss noch mehr in die Mitte der Gesellschaft.“

Das Scheinwerferlicht war für Wissenschaft zunächst mal recht fremd. Und für die Gesellschaft war genauso fremd, wie Wissenschaft eigentlich funktioniert. „Wir haben alle extrem viel gelernt, mehr als uns lieb ist. Die Pandemie hat uns in einer Art und Weise aufgezeigt, wie Wissenschaft und wie Hochschule arbeitet, die vorher so gar nicht bekannt war. Unsere Arbeit konnte vorher gar nicht eingeschätzt werden. Was heute richtig ist, kann morgen wieder falsch sein. Wenn man das nicht versteht, hat die Bevölkerung den Eindruck, dass wir unglaubwürdig sind“, Erläutert Professor Michael Dreher, Direktor der Klinik für Pneumologie und Internistische Intensivmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen. „Wenn die Bevölkerung glaubt, dass ein Wissenschaftler, der berät, immer Recht hat, dann ist das ein Problem. Wir müssen viel ehrlicher sein mit dem, was wir wissen und sagen, was wir nicht wissen. Wer die Scheinwerfer der Öffentlichkeit gezielt nutzt, der unterstützt Ängste.“

Das sieht auch Dr. Carola Holzner, die als Doc Caro in den Sozialen Medien zu medizinischen Themen aufklärt und in dieser Rolle in der Pandemie enorme Popularität erreichte. „Es fehlt die Verbindung zwischen den Universitäten und der breiten Masse. Forschung und Wissenschaft sind das Essenzielle. Aber wir brauchen die, die so kommunizieren, dass es die breite Masse versteht“, sagt sie und fügt hinzu: „Wir können vieles in Zukunft besser machen, dazu gehört auch, die sozialen Medien als Informationsquelle zu nutzen, um zu sehen, was die eigentlichen Probleme der Menschen sind.“

Eine entscheidende Frage einte die drei Fachleute: Wie schaffen wir es, das in der Pandemie entstandene Interesse an Wissenschaft fortzuführen?

 

Es fehlt die Verbindung zwischen den Universitäten und der breiten Masse.

Dr. Carola Holzner

 

„Forschung und Lehre (in) der Pandemie – wie sich Hochschule und Wissenschaft bewähren müssen“

 
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Forschung und Lehre (in) der Pandemie – wie sich Hochschule und Wissenschaft bewähren müssen
 

Die Pandemie hat gezeigt, wie schnell Universitäten agieren können, wenn der Druck dazu hoch ist.

Flächendeckend wurde Lehre digitalisiert. „Es wurden viele Dinge möglich gemacht, von denen wir sagten, sie seien unmöglich“, erklärt Philipp Schmidt, Director of Learning and Collaboration am MIT Media Lab, und dazu zählte auch, dass es aus den USA ganz unkompliziert an dem Panel in Aachen teilnehmen konnte. Die Digitalisierung habe technisch funktioniert, sie habe aber, so Schmidt, auch gezeigt, dass Studierende und Hochschulen, die schon erfolgreich waren, besser mit der neuen Situation zurechtkamen. „Präsenz ist für die, die nicht so gute Voraussetzungen haben, sehr viel wichtiger“, sagt Schmidt. Deswegen bleibt für ihn eine unbeantwortete Frage:
Wie meistern wir die soziale Komponente der Digitalisierung?

Digitalisierung müsse ganzheitlicher gedacht werden. Anderthalb Jahre Pandemie waren da immens lehrreich. Und jetzt? „Wie lernen wir aus den Dingen, aus denen wir jetzt lernen konnten? Wie sieht sich Hochschule 2030? Was ist das Leitbild, nach dem wir lernen und forschen wollen? Und was bedeutet das jetzt für uns, denn dazu gehört eine Grundhaltung zur Digitalisierung?“, fragt Dr. Malte Persike, Wissenschaftlicher Leiter des Centers für Lehr- und Lernservices der RWTH Aachen.

Digitalisierung ist aber nur ein Aspekt, an dem jetzt Weichen gestellt werden sollten: „Wir kann man aus dem Krisenmanagement eine neue Innovationsstruktur entwickeln? Wie können wir eine neue Kultur zusammenbauen und erhalten?“, fragt Philipp Schmidt.

Auf der einen Seite, so berichtet Dr. Rainer Lange, Abteilungsleiter „Forschung“ in der Geschäftsstelle des Wissenschaftsrats, kenne er Menschen, die die produktivste Zeit ihres Lebens in der Pandemie hatten. Auf der anderen Seite seien Lehre und Forschung als Einheit auseinandergerückt, weil Studierende weniger Zugang zu Forschung hatten, weil viele Hochschulen erstmal mit der Aufrechterhaltung der Lehre befasst waren. Dies dürfe kein Dauerzustand werden.

 

Ein Nachteil des Förderalismus ist, dass Wissenschaft nicht mit einer Stimme spricht.

Dr. Markus Zanner

 

„Zentrale Rolle der Wissenschaft bei der Bewältigung der Pandemie?“

 
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Zentrale Rolle der Wissenschaft bei der Bewältigung der Pandemie?
 

„Außerhalb unseres Kosmos wird vor allem der Beitrag der Forschung wahrgenommen“, bilanziert Dr. Christina Reinhardt, Kanzlerin der Ruhr-Universität Bochum. Intern beschäftigten die Hochschulen in den vergangenen anderthalb Jahren aber viele andere Fragen: etwa die Kommunikation. „Nachteil des Förderalismus ist, dass Wissenschaft nicht mit einer Stimme spricht“, sagt etwa Dr. Markus Zanner, Kanzler der neu gegründeten TU Nürnberg. „Beim nächsten Mal müssen wir die Leute besser mitnehmen, da hat Politik versagt. Der Diskurs in der Krise basiert nicht auf den Regeln, wie sonst in der Wissenschaft kommuniziert wird“, erklärt Professor Mathias Hornef, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Uniklinik RWTH Aachen, und fragt: „Was ist ein Experte? Ist es am Ende der, der von den Medien zu einem gemacht wird?“

Anderes Thema: Datenschutz.

„Das Thema Datenschutz ist nicht ausdiskutiert. Präsenz vs. Digitales ist auch nicht ausdiskutiert worden. Welche Dinge in der universitären Lehre wollen wir am Ende nicht über Bord werfen?“, sagt Dr. Markus Zanner, Kanzler der neu gegründeten TU Nürnberg.

Thema: Bürokratie.

„Wir müssen zunehmend Bypässe legen“, beschreibt Zanner den Umgang mit den geltenden Regeln. Christina Reinhardt sagt: „Wir Kanzlerinnen und Kanzler müssen mehr Verantwortung übernehmen.“

 

Ich wünsche mir, dass sich der Modernisierungsschub der Pandemie fortsetzt, diesen Schub müssen wir für anstehende Schwierigkeiten mitnehmen. Ganz profan werden wir nie wieder so reisen wie in der Zeit vor der Pandemie.

Dr. Ulrike Eickhoff

 

„Ausblick – Was bleibt, wie es früher war?“

 
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Ausblick – Was bleibt, wie es früher war?
 

Die Zeit vor der Pandemie kommt nicht zurück. Nicht so, wie sie früher war. Aber was verändert sich am Ende nachhaltig an den Hochschulen? „Man muss die Balance finden zwischen den Anforderungen der Institution und den Individuen, die gelernt haben, dass Flexibilisierung viele Vorteile hat – vollkommen unabhängig davon, ob wir in einer Krise sind oder nicht“, fordert Professorin Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates. Eine Herausforderung!

Aber es wurden auch viele Chancen formuliert: „In der Not ist unsere interne Kommunikation sehr viel besser geworden. Das müssen wir weiterführen und professionalisieren“, sagt Dr. Waltraud Kreutz-Gers, Kanzlerin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. „Ich wünsche mir, dass sich die digitale Lehre nun internationalisiert – auch on demand – und wir so mehr Durchlässigkeit schaffen“, erklärt Professorin Sabine Kunst, Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin. „Ich wünsche mir, dass sich der Modernisierungsschub der Pandemie fortsetzt, diesen Schub müssen wir für anstehende Schwierigkeiten mitnehmen. Ganz profan werden wir nie wieder so reisen wie in der Zeit vor der Pandemie“, erläutert Dr. Ulrike Eickhoff, Abteilungsleiterin Programm- und Infrastrukturförderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Eine Hürde bei all diesen Themen sind aber die starren Rahmenbedingungen und die enorme Bürokratie, die sich entwickelt habe, sieht Buyx und nimmt die Hochschulverantwortlichen in die Pflicht: „Es braucht erheblichen Druck von Seiten derer, die das schon Jahre aushalten. Wir sind in Deutschland in einem Dickicht von Regelungen gefangen. Das bringt uns langsam um. Das bremst die Innovationen in Deutschland. Es müssen rechtliche Regelungen geändert werden.“

 

Man muss die Balance finden zwischen den Anforderungen der Institution und den Individuen, die gelernt haben, dass Flexibilisierung viele Vorteile hat – vollkommen unabhängig davon, ob wir in einer Krise sind oder nicht.

Es braucht erheblichen Druck von Seiten derer, die das schon Jahre aushalten. Wir sind in Deutschland in einem Dickicht von Regelungen gefangen. Das bringt uns langsam um. Das bremst die Innovationen in Deutschland. Es müssen rechtliche Regelungen geändert werden.

Professorin Alena Buyx