Sicherer Strom für die Grundlagenforschung
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Die neue Spallationsneutronenquelle wird nach ihrer Inbetriebnahme große Mengen elektrische Energie benötigen. Zudem sind – unter anderem wegen des hohen Strombedarfs mit teils extremen Lastspitzen – während des Betriebs erhebliche Rückwirkungen auf das Stromversorgungsnetz zu erwarten. Aufgabe der Aachener Ingenieurwissenschaftler ist es, Systeme zu entwickeln und per Simulation eingehend zu testen, die den hohen Ansprüchen der neuen europäischen Großforschungseinrichtung gerecht werden, ohne die zuverlässige Versorgung der regionalen Haushalte, Gewerbebetriebe und Industrieunternehmen zu beeinträchtigen.
Mit ihrer hochkomplexen technischen Ausstattung reagiert die ESS ausgesprochen empfindlich auf Störungen aus dem Stromversorgungsnetz. So kann selbst eine nur kurze Unterbrechung des Stromflusses den Abbruch einer laufenden Versuchsreihe zur Folge haben. Nicht immer lässt sich die Arbeit am Punkt der Unterbrechung wieder aufnehmen. Wertvolle Forschungsergebnisse aus wochenlanger Forschungsarbeit können so verloren gehen.
Zum Stromversorgungskonzept der ESS gehört eine neue Übergabestation für die elektrische Energie. Zudem werden vorhandene Freileitungen durch leistungsfähige Kabelverbindungen ersetzt. Zur Verbesserung der Effizienz wird – erstmals in einer derartigen Forschungseinrichtung – die Effizienz des Teilchenbeschleunigers um 20 Prozent erhöht und die in großen Mengen anfallende Abwärme zur Einspeisung in das existierende Fernwärmenetz der Region genutzt. Darüber hinaus wurde schon bei der Entscheidung für den Standort Lund zur Bedingung gemacht, dass die Stromversorgung zu 100 Prozent auf erneuerbaren Energien basieren muss.
„Die Effizienz der Energieversorgung der ESS war schon bei der Wahl des Standorts Lund ein entscheidendes Kriterium. Im Vergleich zu bisher üblichen Lösungen sieht unser Konzept 20 Prozent Energieeinsparung, eine 100-prozentige Nutzung erneuerbarer Energien sowie den Einsatz der Abwärme in der Fernwärmeversorgung vor. Dabei unterstützen uns unsere Energiepartner E.ON Sverige und Lunds Energi. Da wir die Versorgung so sicher wie irgend möglich machen und gleichzeitig negative Rückwirkungen auf das Netz vermeiden wollen, freuen wir uns, auf die Expertise der Wissenschaftler des weltweit anerkannten Aachener E.ON Energy Research Centers zurückgreifen zu können“, sagte Patrik Carlsson, ESS Direktor der Maschine, anlässlich der Unterzeichnung der Vereinbarung. „Mit derartig kompetenter Unterstützung, davon bin ich überzeugt, werden wir in der Lage sein, ein zuverlässiges Energieversorgungssystem zu entwickeln, das Risiken minimiert.“
Nach Überzeugung von Professor Rik W. De Doncker, Direktor des E.ON Energy Research Centers, kommt man angesichts solch schwieriger Aufgabenstellungen mit traditionellen Systemen der Stromübertragung und -verteilung nicht weit. Schließlich müsse das komplexe Stromversorgungssystem innerhalb von Sekundenbruchteilen automatisch auf sich schnell verändernde Einspeise- und Nutzungsbedingungen reagieren. „Die Verbindung einer extrem dynamischen Stromnachfrage mit der naturgemäß schwankenden Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wie beispielsweise Windenergie ist mit heutigen Netztechnologien kaum zu bewältigen. Die Arbeit an der zuverlässigen und effizienten ESS-Stromversorgung wird den laufenden Innovationsprozess weiter beschleunigen und zu Lösungen führen, die wir dringend brauchen für die Smart Grids der Zukunft. Wir an der RWTH Aachen haben die Infrastruktur, die Kompetenzen und die industriellen Partner, die uns helfen werden, die notwendigen Entwicklungsprozesse zu beschleunigen.“
Mitentscheidend für den Abschluss der Kooperationsvereinbarung war die Tatsache, dass die Aachener Energieforscher seit Mitte 2011 für Ihre Untersuchungen den leistungsfähigsten Echtzeitsimulator Europas nutzen können. Mithilfe dieses Real Time Digital Simulators (RTDS) lassen sich elektrische Übertragungs- und Verteilnetze perfekt simulieren. Die Forscher des Institute for Automation of Complex Power Systems (ACS) des E.ON ERC unter Leitung von Professor Antonello Monti werden damit in die Lage versetzt, theoretische Überlegungen in eine „virtuelle Praxis“ umzusetzen und, in Zusammenarbeit mit dem Institute for Power Generation and Storage Systems des E.ON ERC unter Leitung von Professor Rik De Doncker, neuartige leistungselektronische Wandler und Speichersysteme eingehend zu überprüfen, bevor es an die technisch aufwendige und teure Umsetzung in reale Anlagen geht. Unterschiedlichste Varianten des Netzausbaus und der Netzsteuerung können so praxisnah getestet und teure Fehlinvestitionen vermieden werden.
Die Finanzierung des Simulationsprojektes erfolgt im Rahmen des Beitrags des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zum ESS Projekt.