Erdbeben-Katastrophe
Die Zahl der Todesopfer des gewaltigen Erdbebens in der Türkei und in Syrien ist laut Medienberichten auf fast 5.000 gestiegen. Viele Millionen Menschen sind von der Katastrophe betroffen. Telefonisch von einer Forschungsreise im Oman aus hat uns Professor Klaus Reicherter vom Lehr- und Forschungsgebiet Neotektonik und Georisiken an der RWTH einige Fragen zur Situation beantwortet.
Was genau ist in der Türkei und Syrien passiert?
Die Ost-Anatolische Störung ist eine Plattengrenze von Eurasischer zu Arabischer Platte und mündet in die Dead Sea Transform Störung im Toten Meer bis Aqaba in Jordanien. Also eine sogenannte Interplatten-Störung. Hier haben sich – ähnlich und vergleichbar zur bekannten San Andreas Störung – starke Erdbeben in historischer Zeit ereignet, die sind relativ gut dokumentiert und forderten viele Tote. Diese Störungen sind 1.000 Kilometer lang und können Beben bis Stärke (also Magnitude) 8 produzieren, je nachdem wie lange das Segment ist, das bricht.
Wieso gab es so viele Erdstöße hintereinander?
Diese Interplatten-Störung ist sehr lang, und der Stress Drop wird praktisch zum nächsten Segment weitergegeben, außerdem ist Magnitude 7.9 ein sehr starkes Beben mit katastrophalen Folgen, selbst die Nachbeben sind noch sehr stark.
Hat sich die Lage nun beruhigt, bis sich neue Spannung aufgebaut hat?
Es wird noch einige Zeit, ich rechne mit ungefähr einem Jahr, Nachbeben geben, solange bis sich alles wieder „eingeschaukelt“ hat.
Hat Sie die Heftigkeit des Bebens überrascht?
Nein, es gibt gewisse Regelmäßigkeiten. So wissen wir von einem Erdbeben 526 vor Christus in Antiochia mit circa 250.000 Toten. Dann ereignete sich im Jahr 1138 in Aleppo ein Erdbeben mit rund 230.000 Toten, ungefähr vergleichbar dem in Haiti im Jahr 2010. Folglich war es bekannt, dass es alle 500 bis 1000 Jahre ein richtig großes Erdbeben in der Region geben kann.
Hätte man früher warnen können? Gibt es überhaupt Schutzmechanismen?
Nein, nicht wirklich. Es gibt Bauvorschriften, den sogenannten Eurocode 8, unter dessen Berücksichtigung wahrscheinlich weniger passiert wäre, denn viele Häuser wären stehengeblieben, aber offensichtlich bestand bislang kein Interesse an der Umsetzung. Allerdings war das Beben auch sehr stark.
Wie ist die Situation in Deutschland? Gibt es ähnlich gefährdete Gebiete?
Nein, die Situation ist nicht vergleichbar, wir haben hier in Deutschland keine Plattengrenze, also Intraplattenstörungen. Die höchste beobachtete Magnitude liegt bei circa 6.5 bis 6.7, also mehr als eine Größenordnung darunter. Dadurch wird im Fall eines Falles viel weniger Energie frei, rund 50 Mal weniger. Außerdem sind die Perioden, in denen solche Ereignisse wiederkehren, wesentlich länger, sie umfassen etwa 3000 bis 5000 Jahre. In Deutschland gibt es außerdem strengere Bauvorschriften, Versicherungen und ähnliches, zudem würde ich die Bauqualität hier besser einschätzen.
Gibt es grundsätzlich Phasen, in denen die Erde angespannter ist? Oder ist sie stets gleich unruhig?
Die Erde ist immer unruhig.
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Stichwort: ARD/ Erdbeben Türkei und Syrien
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