Professor Gerhard Müller

 

Vizepräsident für Studium und Lehre, TU München

Prof. Dr. Gerhard Müller Urheberrecht: © TUM

Sollten wir nach der Pandemie wieder zu vollständigen Live-Kursen zurückkehren, weiterhin reine Online-Lehre anbieten, oder hybride Lehrangebote machen?

Wir haben die einmalige Chance, auf der Grundlage gewonnener Erfahrungen mit neuen digitalen Lehrformaten, in Kombination mit den bisherigen und neuen Präsenzlehrformaten, universitäre Lehre weiterzuentwickeln. Diese Chance müssen wir nutzen.

Welche Lehrformate würden Sie sich online wünschen, welche im persönlichen Umfeld?

Ich gehe davon aus, dass eine ganze Reihe größerer vorwiegend „frontal“ vorgetragener Inhalte besser durch kürzere Videosequenzen vermittelt werden können, die fallweise wiederholt angesehen werden können. Die damit gewonnene Präsenzzeit kann für deutlich diskursivere und interaktive Formate genutzt werden.

Ihre Vision: Wie sollte das Nachfolgemodell einer traditionellen Vorlesung aussehen, das Forschen und „Machen“ integriert (ganz gleich, ob in Präsenz oder online)?

Über die Ergänzung von Präsenzlehre, deren nahtlose Erläuterungssequenzen durch Videos ergänzt und teilweise substituiert werden, gewinnt man Zeitraum für Gruppenarbeit, Quizze, kleinere Wettbewerbe bis hin zu Projekten. Je nach Thema und Kontext kann damit das Element des projektbasierten Lernens und das Arbeiten in Teams deutlich weiterentwickelt werden.

Braucht man in zehn Jahren noch Dozierende oder reicht eine KI/Roboter, um die Lehre zu halten?

Die Bedeutung der Lehrenden nimmt zu und nicht ab, da die neuen Lehrformate besonders vom Miteinander mit Professorinnen und Professoren leben, die aufgrund der stärkeren Interaktion mit ihrer Expertise und Persönlichkeit „erlebbarer“ werden. Die Universität wird mehr denn je ein Ort der lebendigen Begegnung und des Austausches.

Aus Industrie und Gesellschaft kommen eine Reihe von Forderungen, was die Universitäten künftig in ihren Curricula unterbringen sollen. Wenn das Studium nicht verlängert werden soll, muss man auch fragen, was wir denn künftig nicht mehr benötigen. Haben Sie dazu Vorschläge?

Die ist fachspezifisch zu diskutieren und muss seit jeher kontinuierlich diskutiert werden. Es ist wichtig, in regelmäßigen Abständen die Inhalte der Studienangebote an die angestrebten und sich verändernden Kompetenzprofile auszurichten. Dabei ist allerdings auch klar zu differenzieren, welche der Elemente zwingend eine Verortung in Curricula erfordern, welche gegebenenfalls effizienter in der beruflichen Einarbeitung vermittelt werden können, welche in disziplinübergreifenden universitären Formaten sinnvoll eingebettet werden sollten und mit welchen Elementen Studierende für ihre Rolle in der Gesellschaft, mit der zugehörigen Kommunikationskompetenz und der erforderlichen Haltung, sich laufend weiterzuentwickeln und weiterzubilden, vorbereitet werden können.