Professor Heribert Nacken

 

Rektoratsbeauftragter Blended Learning und Exploratory Teaching Space, RWTH Aachen

Prof. Dr. Heribert Nacken Urheberrecht: © RWTH - Lehr- und Forschungsgebiet Ingenieurhydrologie

Sollten wir nach der Pandemie wieder zu vollständigen Live-Kursen zurückkehren, weiterhin reine Online-Lehre anbieten, oder hybride Lehrangebote machen?

Wir werden an der RWTH Aachen mit Sicherheit nicht wieder vollständig in den alten Modus zurückgehen; dafür gibt es viel zu viele Dozierende und auch Studierende, die die positiven Seiten einer digitalen Lehre kennengelernt haben. In Gesprächen mit Dozierenden höre ich oft Sätze wie „Wenn ich gewusst hätte, wie einfach es ist, meine Lehre digital anzureichern, hätte ich das schon viel früher gemacht“. Dazu hat sicher unser Center für Lehr- und Lernservices einen wesentlichen Beitrag geleistet.

Grundsatz bei allem muss aber auch weiterhin sein: Wir sollten stets diejenigen Formate wählen, die die Qualität der Lehre verbessern, und das ist sicher sehr stark abhängig sowohl von dem Fach als auch vom Dozierenden.
Insofern heißt die Antwort auf die Frage wohl eher:

Das Format der Zukunft wird sehr stark von der jeweiligen Fachkultur und dem Lehrstil des Dozierenden abhängig sein, aber dabei immer die Qualität der Lehre für unsere Studierenden im Focus haben.

Welche Lehrformate würden Sie sich online wünschen, welche im persönlichen Umfeld?

Das persönliche Umfeld profitiert wohl generell vom Austausch und der Kommunikation. Insofern wünsche ich mir hochgradig interaktive Formate.

Das ist aber keine Frage zwischen Präsenz- und online-Format. Ich kann mit meinen Studierenden auch via Avataren in einer Virtual Reality Umgebung persönlich intensiv interagieren, während ich in reinen Zoom-Sessions nur schwarze Kacheln anschaue und kein Austausch stattfinden kann.

Ihre Vision: Wie sollte das Nachfolgemodell einer traditionellen Vorlesung aussehen, das Forschen und „Machen“ integriert (ganz gleich, ob in Präsenz oder online)?

Meine Vision des Nachfolgemodells traditioneller Vorlesungen ist das Avatar basierte Lehren und Lernen, das es allen Studierenden und Dozierenden unabhängig von ihrem realen Standort ermöglicht in einer virtuellen Realität gemeinsam zu interagieren, Dinge zu erleben, sich auszutauschen und von den besten Dozierenden in einem Fachbereich lernen zu können.
[Siehe dazu MyScore]

Braucht man in 10 Jahren noch Dozierende oder reicht eine KI/Roboter, um die Lehre zu halten?

Auf jeden Fall werden wir auch dann noch die engagierten Dozierenden brauchen; diejenigen, die den Studierenden die Begeisterung für ein Fach, einen speziellen Inhalt vermitteln können und ihnen auch für den unmittelbaren Austausch zur Verfügung stehen. KI wird bis dahin sicher eine entscheidende Rolle bei einem individualisierten Lehrangebot spielen (siehe dazu die aktuellen Entwicklungen von MiT und Havard nach dem Verkauf von edX).

Aus Industrie und Gesellschaft kommen eine Reihe von Forderungen, was die Universitäten künftig in ihren Curricula unterbringen sollen. Wenn das Studium nicht verlängert werden soll, muss man auch fragen, was wir denn künftig nicht mehr benötigen. Haben Sie dazu Vorschläge?

Das finde ich, ehrlich gesagt, ziemlich einfach: Die Fächer sollten eine gemeinsame Diskussion darüber führen, was Mindestinhalte sein sollten. Was braucht eine Hydrologin / ein Hydrologe beispielsweise, um auf die Welt zugelassen werden zu dürfen? Wir führen solche Diskussion beispielsweise im Moment im Rahmen der Erstellung von Kursen, die als Open Educational Resource (OER) zwischen drei Hochschulstandorten entwickelt werden.