Professor Michael Dreher

 

Direktor der Klinik für Pneumologie und Internistische Intensivmedizin (Medizinische Klinik V), Uniklinik RWTH Aachen

Prof. Michael Dreher Urheberrecht: © UK Aachen

Wir schaffen das Fundament

Die COVID19-Pandemie hatte für uns alle am Uniklinikum Aachen und für das gesamte Gesundheitssystem in der Region mit einem Stresstest begonnen. Der Ausbruch eines enormen Infektionsgeschehens in Heinsberg mit vielen Ansteckungen binnen kurzer Zeit hat die Belastbarkeit unserer und anderer Krankenhäuser ausgereizt.

Seitdem ist viel passiert, und wir haben viele Lehren gezogen und ziehen müssen: So ist auch die größte Zahl an Krankenhausbetten irgendwann endlich, wenn die Zahl an Patientinnen und Patienten kontinuierlich ansteigt, und ein notwendiges politisches Gegensteuern hat deutliche Auswirkungen auf unser aller Leben. Deswegen hat die „Wissenschaft (in) der Pandemie“ mit ihren Erkenntnissen, die dann wiederum in politischen Maßnahmen aufgegriffen werden konnten, wertvolle Arbeit geleistet. Nein, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Allgemeinen und in diesem Fall Medizinerinnen und Mediziner im Speziellen entwickeln keine Corona-Schutzmaßnahmen. Das ist nicht unsere Aufgabe.

Aber wir können mit unseren Erkenntnissen und Studien eine Grundlage schaffen, um vernünftigen Maßnahmen ein notwendiges Fundament zu geben. So haben wir in Aachen direkt zu Beginn der Pandemie eine Struktur geschaffen, um alle in der Uniklinik RWTH Aachen behandelten COVID-19-Patientinnen und -Patienten in eine prospektive, longitudinale Kohortenstudie zur Verlaufsbeobachtung einzuschließen.

Der erste Patient konnte bereits im März 2020 in die COVID-19 Aachen Study (COVAS) eingeschlossen werden, aus der mittlerweile viele wissenschaftliche Erkenntnisse aus Aachen heraus, aber auch in Kollaboration mit anderen Standorten, entstanden sind. Nehmen wir ein Beispiel: Mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) haben wir am UK Aachen zunächst einmal in einer Pilotstudie zwei sogenannte Biomarker identifiziert, mit deren Hilfe frühzeitig die Schwere einer COVID-19-Erkrankung festgestellt werden kann. Die Biomarker werden aus dem Blut der Patientinnen und Patienten gewonnen.

Bislang konnte mit den üblichen Laborwerten und klinischen Untersuchungsmethoden nur eingeschränkt bei der Aufnahme in die Klinik vorhergesehen werden, wann ein möglicher schwerer Verlauf und ein höheres Sterblichkeitsrisiko vorliegen könnte. Die Ergebnisse der Pilotstudie geben nun Anlass zur Hoffnung, dass COVID-19-Patientinnen und -Patienten mit hohem Sterblichkeitsrisiko frühzeitig identifiziert und intensivmedizinisch behandelt werden können.

Die Studie veranschaulicht, was unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler binnen kurzer Zeit leisten können – schließlich wurde auch diese Studie unter der Vollbelastung des medizinischen Alltagsbetriebes erhoben. Die Wissenschaften wie auch die Kliniken mit ihren Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegerinnen und Pflegern haben in der Pandemie ihre Leistungsfähigkeit immer und immer wieder bewiesen. Ja, wir haben uns bewährt, aber wir haben auch gesehen, dass die Ressourcen dafür endlich sind und der Transfer unserer Erkenntnisse in die Gesellschaft am Ende der letzte, wichtige und vor allem entscheidende Schritt ist, den wir nicht alleine machen können. Durch die innovativen Potentiale wird der multiprofessionelle Standort mit der Exzellenzuniversität RWTH Aachen und dem IZDM des UKAs gemeinsam als digital-medizinsicher Leuchtturm in Deutschland platziert und bereits als zukunftsweisend vom Wissenschaftsrat in Aachen identifiziert. Die gemeinsame Interaktion von Medizin und Technik ist die Voraussetzung für die interdisziplinäre Weiterentwicklung der Digitalisierung im Gesundheitswesen.