Dr. Rainer Lange

 

Abteilungsleiter „Forschung“ in der Geschäftsstelle des Wissenschaftsrats, Köln.

Dr. Rainer Lange Urheberrecht: © Wissenschaftsrat / Peter Nierhoff

Impulse aus der COVID-19-Krise

Bereits im Frühjahr 2020 hat der Forschungsausschuss des Wissenschaftsrats entschieden, sich mit den Lehren aus der Pandemie zu befassen. Daraus ist das Positionspapier „Impulse aus der COVID-19-Krise“ hervorgegangen, das im Januar 2021 verabschiedet wurde. Die Stärken und Schwächen des Wissenschaftssystems, die der Wissenschaftsrat darin anspricht, werden uns in den kommenden Monaten und Jahren noch beschäftigen. Vier davon seien hier genannt:

Gerade in der Gesundheitsforschung fehlte es während der Pandemie zu Beginn an Prozessen, um große Studien zu organisieren und interdisziplinär zu kooperieren. Manchmal stand wissenschaftliche Konkurrenz der Bereitschaft, Daten zu teilen, im Wege. Dies hat die Sorge genährt, der Wettbewerb in der Wissenschaft könne überhitzt sein. Die Existenzängste junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, deren Forschungsvorhaben unterbrochen wurden oder die sich in der digitalen Lehre engagiert haben, sind ein anderes Indiz dafür. Für die Zukunft wird es wichtig sein, Leistungen stärker zu honorieren, die allen zugutekommen, und ein kooperatives Klima zu schaffen.

Zu den auffälligsten Phänomenen der Krise zählt die große Sichtbarkeit von Wissenschaft. Während es zunächst schien, in Deutschland finde Wissenschaft mit seriösen Analysen Gehör, wurde der Ton rasch rauer. Der Diskurs oszillierte zwischen der „Herrschaft der Virologen“ und dem Vorwurf, Politik handele vollkommen evidenzfrei. Zu klären, was Wissenschaftskommunikation und politische Beratung leisten können und wie, gehört deshalb ebenfalls zu den Aufgaben, die wir angehen müssen.

Wissenschaft muss nach der Pandemie im digitalen Raum souverän agieren können. Sie muss ihre Ansprüche an Qualität, Datensicherheit, Nachvollziehbarkeit und Interoperabilität artikulieren und durchsetzen können. Deshalb darf sie sich nicht von einzelnen Anbietern abhängig machen. Zugleich muss sie ihre digitale Infrastruktur nachhaltig und ausfallsicher, aber auch sicher gegenüber Angriffen aller Art betreiben können.

Die Pandemie hat schließlich auch gezeigt, wie sich das globale politische Klima in den letzten Jahren verändert hat. Es wäre naiv, zu glauben, dass wissenschaftliche Kooperation davon ausgenommen ist. Wissenschaftsfreiheit wird nicht überall gleich verstanden. Und so müssen wir unser Verständnis von Wissenschaftsfreiheit artikulieren, offen bleiben für Kooperationen, dabei aber Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dafür sensibilisieren, dass unsere Partnerinnen und Partner teils anderen Logiken folgen.