Tea Gergedeva
Leiterin des International Office an der Tbilisi State University Georgien
Sollten wir nach der Pandemie wieder zu vollständigen Live-Kursen zurückkehren, weiterhin reine Online-Lehre anbieten, oder hybride Lehrangebote machen?
Ich wäre sehr dafür, so viel Präsenzlehre wie möglich anzubieten. An der Universität soll man sich ja nicht nur abstraktes Wissen aneignen, sondern auch als Mensch reifen: das Ziel ist ja auch, interkulturelle Kompetenzen auszubilden und überfachliche Fähigkeiten zu entwickeln. All dies erwirbt man im persönlichen Austausch viel leichter als online.
Welche Lehrformate würden Sie sich online wünschen, welche im persönlichen Umfeld?
Technologische hoch entwickelte „High-Tech-Formate“ sollten weiterhin online angeboten werden, die weniger technologisch orientierten könnten explorativ zu High-Tech-Formaten weiterentwickelt werden. Wo das nicht gut möglich ist, sollte die Lehre eher in Präsenz stattfinden.
Ihre Vision: Wie sollte das Nachfolgemodell einer traditionellen Vorlesung aussehen, das Forschen und „Machen“ integriert (ganz gleich, ob in Präsenz oder online)?
Die meisten traditionell orientierten Vorlesungen würden davon profitieren, sich dem Ansatz des problem-orientierten Lernens zu öffnen: hier werden die Studierenden mit Problemen unterschiedlicher Komplexität konfrontiert, deren Lösung einen interdisziplinären Ansatz erfordern. Gut vorbereiteter Unterricht nach diesem Prinzip bringt die Studierenden dazu, theoretisches Wissen und praktische Fähigkeiten bei der Lösung des behandelten Problems gleichermaßen anzuwenden.
Braucht man in 10 Jahren noch Dozierende oder reicht eine KI/Roboter, um die Lehre zu halten?
Ich denke schon, dass der menschliche Faktor bei der Verbreitung von Wissen weiterhin sehr relevant und notwendig bleiben wird – und das wird auch noch in zehn Jahren so sein.
Aus Industrie und Gesellschaft kommen eine Reihe von Forderungen, was die Universitäten künftig in ihren Curricula unterbringen sollen. Wenn das Studium nicht verlängert werden soll, muss man auch fragen, was wir denn künftig nicht mehr benötigen. Haben Sie dazu Vorschläge?
Das kommt ganz auf das Fachgebiet an – es gibt sicherlich einige Fächer, wo man die Lehrpläne stark danach ausrichten könnte, was die Industrie von einer Absolventin oder einem Absolventen erwartet. Hier wäre es möglicherweise tatsächlich die beste Lösung, Vertreterinnen und Vertreter der Industrie an der Lehrplanentwicklung teilhaben zu lassen. Das mag dazu führen, dass einige theoretische Kurse aus dem Lehrplänen gestrichen werden – daher müsste man gleichzeitig darauf achten, ausgleichend eine stärkere Basis in der gymnasialen Oberstufe zu legen.