Aline Nüttgens
Projekt „Smart Study Start“, RWTH Aachen
Sollten wir nach der Pandemie wieder zu vollständigen Live-Kursen zurückkehren, weiterhin reine Online-Lehre anbieten, oder hybride Lehrangebote machen?
Hybride Lehrangebote! Das Online-Angebot sollte beibehalten werden, um Studierenden mehr Flexibilität zu geben. Außerdem ermöglicht es Studierenden mit Kind, Studierenden, die neben dem Studium viel arbeiten müssen und Studierenden mit einer Behinderung oder einer chronischen Erkrankung, das Studium zu bewerkstelligen. Die Pandemie hat jedoch gezeigt, dass man die Wichtigkeit der Präsenzlehre nicht unterschätzen sollte.
Welche Lehrformate würden Sie sich online wünschen, welche im persönlichen Umfeld?
Die Pandemie hat gezeigt, dass klassische Vorlesungen sehr gut digital funktionieren. Videos schaffen für alle Beteiligten mehr Flexibilität. Flipped Classroom-Konzepte und Seminare sollten wieder in Präsenz stattfinden, da die Diskussionskultur von physischen Raum lebt.
(Wie) Kann man Lehre gemeinsam mit Firmen organisieren? Ist das anzustreben?
Lehre sollte unabhängig sein. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass zum Beispiel Impulsvorträge von Firmenvertreterinnen und -vertretern die Diskussionskultur fördern können.
Braucht man in 10 Jahren noch Dozierende oder reicht eine KI/Roboter, um die Lehre zu halten?
Ich denke, dass man immer Dozierende benötigen wird, da Lehre viel mehr ist als reine Wissensvermittlung.
Ihre Vision: Wie sollte das Nachfolgemodell einer traditionellen Vorlesung aussehen, das Forschen und „Machen“ integriert (ganz gleich, ob in Präsenz oder online)?
Ich gehe davon aus, dass sich in Zukunft das Studium generell ändern wird. Die traditionelle Vorlesung – also eine Person steht vor beliebig viel Studierenden und hält einen Monolog – wird es wahrscheinlich irgendwann nicht mehr geben. Diese Art der Wissensvermittlung wird vermutlich digital stattfinden. Statt Vorlesungen kann ich mir in Zukunft gut vorstellen, dass die Präsenzzeit mit Projektvorstellungen und Themen-Diskussionen gefüllt wird.
Aus Industrie und Gesellschaft kommen eine Reihe von Forderungen, was die Universitäten künftig in ihren Curricula unterbringen sollen. Wenn das Studium nicht verlängert werden soll, muss man auch fragen, was wir denn künftig nicht mehr benötigen. Haben Sie dazu Vorschläge?
Ich denke, das wird für jedes Fach unterschiedlich sein. Ein erster Schritt wäre die Reduktion von Pflichtmodulen bzw. in manchen Studiengängen die Einführung von Wahl-(Pflicht)-Modulen. Ziel sollte es sein, ganz frei wählbare Credit Points zu erzeugen. So können sich Studierende optimal auf ihre persönliche Zukunft vorbereiten. Mit Wahl- und Wahlpflicht-Bereichen können die geforderten Inhalte den Studierenden im Curriculum ermöglicht werden. Ich halte es nicht für notwendig, dass alle Studierenden deckungsgleiche Inhalte und Kompetenzen im Studium erwerben – Diversität ist eine Stärke!
Wie können Universitäten besser in der Lehre von Transdisziplinarität werden und wie können sie Studenten (Studierenden) dabei helfen, ihre Denkweise in Transdisziplinarität zu verbessern?
Ich glaube, dass es durch das Projekt Leonardo an der RWTH für alle Studierenden theoretisch die Möglichkeit gibt, und denke, dass transdisziplinäre Angebote in alle Studiengänge eingebunden werden sollten. In manchen passiert dies schon stärker als in anderen. Frei wählbare Credit-Points können hier ebenfalls unterstützen, da man dann notwendigerweise über den eigenen Tellerrand schauen muss.
Zitat von Professor Anant Agarwal (edX): „Es macht immer wieder Spaß, davon zu träumen, wie die Zukunft an den Universitäten aussehen könnte. Am wichtigsten ist die Frage: Was sind die idealen Einrichtungen für die Lernenden?“ Was meinen Sie dazu?
Gut ausgestattete Lernräume, aber auch Begegnungsorte am Campus. Auch sind Einrichtungen wie ausreichende psychologische Unterstützung und Mentorinnen und Mentoren für Lernende in meinen Augen wichtig.
Professorin Lynda Gratton (London Business School) stellte beim Wissenschaftsabend eine ganz zentrale Frage in den Raum: „Wie entwickeln wir Lernumgebungen, die es kreativen Menschen ermöglichen, auf andere zu stoßen, die sich noch nie begegnet sind?“
Ich denke, dass hier studentische Begegnungsräume helfen können, in denen sich die unterschiedlichen Studierenden zufällig treffen können. Hierzu eignet sich sicher eine Art Biergarten mit Bühne, ein Atelier oder aber auch Werkstätten, um Freizeitprojekte erstellen zu können. Ebenfalls ist die Förderung von studentischem Engagement zentral, denn dort treffen Studierende aus völlig verschiedenen Studiengängen aufeinander.